Steffen Mors
Stephan Nase
Dr. Günter Zitzler
Rolls-Royce hat den Einsatz von synthetischem paraffinischem Dieselkraftstoff gemäß EN 15940 (hydriertes Pflanzenöl, HVO) für die mtu-Diesel-Motoren der Baureihen 4000, 1800 (EU V&EU IIIA/IIIB) und 1600 für die Anwendung Bahn freigegeben. Dieses Whitepaper liefert einen detaillierten Überblick über die Tests, die an mtu-Diesel-Motoren durchgeführt wurden im Betrieb mit standardmäßigem Dieselkraftstoff und mit HVO-100 Kraftstoff.
Rolls-Royce Power Systems mit Hauptsitz in Friedrichshafen beschäftigt mehr als 10.500 Mitarbeiter. Unter der Marke mtu vertreibt das Unternehmen schnelllaufende Motoren und Antriebssysteme für Schiffe, schwere Land- und Schienenfahrzeuge, militärische Fahrzeuge sowie für die Öl- und Gasindustrie. Zum Portfolio gehören außerdem Diesel- und Gassysteme und Batterielösungen für sicherheitskritische Anwendungen, zur Dauerstromerzeugung, für Kraft-Wärme-Kopplung und für Microgrids. Mit klimafreundlichen Technologien trägt Rolls-Royce Power Systems dazu bei, die Energiewende voranzutreiben.
Rolls-Royce hat seit 1924 über 20.000 Antriebslösungen für Bahnfahrzeuge auf die Schiene gebracht. Über die Hälfte aller Triebwagen in Europa sind von mtu-Motoren angetrieben, bei Lokomotiven gehört Rolls-Royce mit seiner Marke mtu zu den Top-4-Anbietern weltweit.
mtu-Antriebssysteme für Strecken- und Mehrzwecklokomotiven, Hochgeschwindigkeitszüge sowie für Nahverkehrstriebwagen sind für den harten Bahnbetrieb technologisch an die unterschiedlichsten Einsatzbedingungen optimiert und setzen Maßstäbe in puncto Performance, Robustheit und geringer Abgasemissionen. Sie stellen tagtäglich auf allen Kontinenten ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis: im Personenverkehr, im schweren Güterzugbetrieb, im Hochgeschwindigkeitsbereich, bei hohen Dauergeschwindigkeiten im Reisezugverkehr, in Industrielokomotiven und im Rangierbetrieb. Dank eines niedrigen Gewichts, ihrer Kompaktheit sowie Laufruhe und geringer Geräuschemissionen sind mtu-Motoren bevorzugte Antriebe für Schienenfahrzeuge. Ergänzt wird das Motorenprogramm durch das mtu PowerPack, ein kompaktes Antriebssystem, das neben dem Motor und der Kraftübertragung alle für den Antrieb des Fahrzeugs notwendigen Nebenaggregate, wie z.B. das Kühlsystem und die Abgasnachbehandlung, enthält. Mit dem mtu Hybrid-PowerPack bietet Rolls-Royce eine besonders umweltfreundliche Variante dieser Antriebslösung, die die Vorzüge von Batterie- und dieselbetriebenen Zügen vereint.
Zusammenfassung
Die Bewertung der Prüfung von HVO im Betrieb mit mtu-Motoren bezog sich auf die folgenden Bereiche:
- Motorperformance
- Emissionsprüfungen: Diesel entsprechend EN 590 & HVO-100 entsprechend EN 15940
- Vergleich des Kraftstoffverbrauchs
- Langzeiterprobung im Feld mit HVO
Alle bisherigen Untersuchungen zeigten keine Unterschiede im Leistungsverhalten beim Betrieb mit HVO-100 gegenüber fossilem Diesel (EN 590), bei gleichzeitiger Verringerung der Emissionen des Motors – insbesondere der Partikel-Emissionen. Die repräsentativen Prüfungen wurden unter Verwendung von zwei mtu-Motoren vom Typ12V4000R84 und 12V1600R91 für die Bahn-Anwendung durchgeführt.
Die Prüfung mit HVO-100 ergab:
- eine Reduktion der CO₂- und Feinstaub (PM)-Emissionen
- volle Leistungsfähigkeit
- eine Reduktion des Kraftstoffverbrauchs
NOx-Emissionen:
Allgemein ist der Einfluss von synthetischen Kraftstoffen auf die NOx-Emissionen bei Motoren mit einer Abgasnachbehandlung weniger stark ausgeprägt. Dies bestätigen auch die vorliegenden Messergebnisse.
Gegenüberstellung Kraftstoffe
Die vergleichende Prüfung der Leistung und Emissionen fand unter Einsatz von destilliertem Dieselkraftstoff und HVO-100 statt. Der verwendete Dieselkraftstoff entsprach EN 590 (B7) und der HVO-100 Kraftstoff entsprach EN 15940 Class B.
Die Kraftstoffspezifikationen weisen Bandbreiten, Maxima oder Minima für verschiedene Kraftstoffeigenschaften aus. Die zulässigen Bandbreiten einzelner Kraftstoffkennwerte sind der gültigen Betriebsstoffvorschrift zu entnehmen.
Test-Ergebnisse
Es wurden umfangreiche Prüfstands- und Feldmessungen an Bahnmotorender BR4000 und 1600 durchgeführt. Darüber hinaus fanden zusätzliche Langzeiterprobungen unter realen Fahrbedingungen von Schienenfahrzeugen mit 16V4000R84 und 12V1600R70 statt. Alle Ergebnisse fielen durchweg positiv aus und bestätigen die Vorteile beim Einsatz von synthetischen paraffinischen Kraftstoffen. Im nachfolgenden sind repräsentative Ergebnisse der BR4000RX4 EU V und BR1600 RX1 EU V dargestellt. Die Vergleichswerte wurden jeweils an einem Exemplar des genannten Motortyps auf einem Motorenprüfstand ermittelt.
Kraftstoffverbrauch
Für den 12V1600R91 sind nachfolgend spezifische Kraftstoffverbräuche bei Nenndrehzahl von 1900 rpm gegenübergestellt. Bei der BR1600 konnte eine Reduktion des spezifischen Kraftstoffverbrauchs von 2 % beim Betrieb mit synthetischem Kraftstoff (HVO-100) gemessen werden.
Ähnliche Ergebnisse konnten auch an einem 12V4000R84 gemessen werden. Die nachfolgende Grafik zeigt spezifische Kraftstoffverbräuche einzelner Messpunkte der Volllastkurve. Auch hier konnte eine Reduktion des spezifischen Kraftstoffverbrauches von 2 % gemessen werden.
NOx im Vergleich
Allgemein ist der Einfluss von synthetischen Kraftstoffen auf die NOx-Emissionen bei Motoren mit einer Abgasnachbehandlung weniger stark ausgeprägt. Dies ist auf die Regelungsart und Sensorik der Motorsysteme zurückzuführen, welche in erster Linie auf die NOx-Emissionen nach AGN regeln. Dies bestätigen auch die Messergebnisse bei der BR1600 Stage V wie in Abbildung 3 gezeigt. Der Einfluss auf die Stickoxidemissionen bei Verwendung von synthetischen Kraftstoffen liegen im Bereich der Messgenauigkeit der Prüfsysteme.
Die Testergebnisse des 12V4000R84 zeigen ebenfalls ein vergleichbares NOx-Niveau von HVO-100 im Vergleich zu marktüblichem Dieselkraftstoff (EN590).
CO₂ im Vergleich
Die Vorteile von HVO sind eine saubere Verbrennung mit einer Reduzierung des CO₂-Ausstoßes um bis zu 90 Prozent (je nach Herstellungsprozess und Ausgangsmaterial)* gegenüber fossilem Diesel. Da HVO-Kraftstoff aus nachwachsenden Rohstoffen, teilweise aus Abfällen hergestellt wird, entstehen durch seine Produktion, seinen Transport und seine Verbrennung nur etwa so viele Treibhausgase, wie beim Wachstum der Biomasse durch die Pflanzen zuvor aufgenommen wurde.
Vorteilhaft ist auch die CO₂-Reduktion bei der Verbrennung von synthetischen Kraftstoffen im Motor. Im Folgenden gezeigt sind Messpunkte des 12V1600R91 bei Nenndrehzahl 1900rpm und des 12V4000R84 der Vollastkurve. An den einzelnen Leistungspunkten wurde eine CO₂-Reduktion von
4 % gemessen.
* Namhafte europäische Hersteller von HVO-100 Kraftstoffen haben eine Reduktion der Treibhausgasemissionen (CO₂-Äquivalent) im Vergleich zu fossilem Diesel über den Produktlebenszyklus um bis zu 90 % anhand der Methode zur Berechnung der Lebenszyklus-Emissionen und der Emissionsreduzierung entsprechend der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien II (2018/2001/EU, „RED II“) ermittelt.
Feinstaub (PM) im Vergleich
Eine erhebliche Verringerung der Feinstaub-Emissionen konnte beim Betrieb mit HVO-Kraftstoff beobachtet werden. Die Partikel-Emissionen gingen vor DPF in einer Größenordnung von 30-40 % zurück, je nach Lastpunkt. Die Partikel-Emissionen steigen mit synthetischen Kraftstoffen Richtung Nenndrehzahl- und Leistung deutlich weniger an. Bei Motoren mit nachgeschalteten Filtersystemen ist das Partikelniveau allgemein sehr niedrig. Effekte der sauberen Verbrennung von synthetischen Kraftstoffen, sind ohne nachgeschaltete AGN, wie bis EUIIIA üblich, deutlich ausgeprägter.
Felderprobung
Unsere Erprobungen an zahlreichen Bahnmotoren mit HVO-100 Kraftstoffen unter realen Bedingungen haben gezeigt:
- Eine Anpassung der Wartungsintervalle ist nicht notwendig (z.B. keine Verkürzung von Ölwechselintervallen wie bei FAME-Kraftstoffen)
- Die Leistungsfähigkeit der Schienenfahrzeuge wurde nicht negativ beeinflusst
- Die Reichweite der Schienenfahrzeuge wurde nicht negativ beeinflusst.
- Es war keine Anpassung der Motoren oder Schienenfahrzeuge erforderlich (echter Drop-In-Kraftstoff)
Fazit
Die Verwendung von HVO als ein „Drop-in”-Kraftstoff ergab ein vergleichbares Leistungsverhalten in den getesteten Anwendungen. Daher wird HVO-Kraftstoff zur Verwendung bei den mtu-Bahnmotoren der Baureihen 4000, 1800 (EU V, EU IIIB, EU IIIA) und 1600 zugelassen. Die Tests ergaben, dass die auf dem Typenschild angegebenen Leistungen unter Verwendung synthetischer Kraftstoffe gemäß EN 15940 gleichermaßen erreicht werden können.
Außerdem zeigten die Tests die nachgenannten Vorteile beim Betrieb mit HVO-Kraftstoff gegenüber destilliertem Dieselkraftstoff:
- geringere PM- und CO₂-Emissionen in nahezu allen Lastpunkten
- gleichbleibende Leistungsperformance
Der Einsatz von paraffinischen Kraftstoffen gemäß EN 15940 – heute als HVO-100 oder zukünftig auf Basis anderer Rohstoffquellen wie etwa Siedlungsabfällen, Kunststoffabfällen oder Reststoffen der Agrar- und Forstwirtschaft bzw. längerfristig eFuels – ermöglicht eine sofortige Reduzierung der CO₂- Emissionen um bis zu 90 % (heute mit HVO-100) bzw. von bis zu 100 % bei zukünftiger Verfügbarkeit von eFuels auf Basis von regenerativ erzeugtem Wasserstoff.
Im Gegensatz zu anderen möglichen Alternativen sind hierzu weder Anpassungen am Motor, dem Fahrzeug noch an der Infrastruktur erforderlich. Ferner ermöglicht die ähnlich hohe volumetrische Energiedichte von HVO im Vergleich zu Dieselkraftstoff den gleichen Betriebsablauf ohne Einschränkungen hinsichtlich Leistungsfähigkeit, Robustheit, Reichweite, Zuglast oder Betankungsdauer und die Beibehaltung von etablierten Prozessen und der Infrastruktur etwa beider Kraftstoffversorgung oder der Wartung der Fahrzeuge.
Bei der Umstellung von Kraftstofflagern von fossilem Diesel auf HVO-100 ist auf eine vorherige Tankreinigung und beim Bezug des Kraftstoffs auf die Einhaltung der in der aktuellen Betriebsstoffvorschrift genannten Kraftstoffanforderungen zu achten.
Weitere Informationen zu HVO und zu Referenzen finden Sie hier: HVO MACHT mtu-MOTOREN FAST KLIMANEUTRAL (mtu-solutions.com)