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„Wir brauchen Investitionssicherheit“

Veröffentlicht am 30 November 2022 von Lucie Maluck

„Wenn wir die Klimakrise nicht lösen, gehen wir unter“, prognostiziert UN-Generalsekretär Antonio Guterres. mtu-Technologien können die Welt grüner machen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Ein Interview mit Andreas Görtz, Leiter der Rolls-Royce-Geschäftseinheit „Sustainable Power Solutions“.
„Es gibt viele Krisen auf dieser Welt - aber diese ist die größte", sagt UN-Generalsekretär Antonio Guterres und meint damit die Klimakrise. „Wenn wir sie nicht lösen, gehen wir unter." Ein Satz, der zeigt, worum es auf dem Weltklimagipfel COP27 im ägyptischen Badeort Sharm el-Sheikh gerade geht. Die 1,5 Grad sind allgegenwärtig und die etwa 40.000 Teilnehmer aus fast 200 Ländern ringen um Wege, das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen. Mit dabei ist auch Andreas Görtz, Leiter der Geschäftseinheit „Sustainable Power Solutions“ von Rolls-Royce Power Systems. Im Interview erzählt er, wie mtu-Produkte helfen können, die Klimakrise zu lösen und welche Rahmenbedingungen nötig sind, diese auch zum Einsatz zu bringen.  

Herr Görtz, Sie sind jetzt seit sieben Monaten Leiter der Geschäftseinheit „Sustainable Power Solutions“ und in diesem Jahr zum ersten Mal beim Weltklimagipfel dabei. Mit welchen Erwartungen sind Sie dorthin gereist?

Zum einen möchte ich Rolls-Royce sichtbar machen. Wir haben und entwickeln eine Menge Technologien, mit denen man klimaneutral Antrieb und Energie erzeugen kann. Die möchte ich zeigen und bekannt machen. Außerdem möchte ich Märkte und Investoren finden, um unsere Produkte in den Einsatz zu bringen. Ich bin überzeugt davon, dass unsere Technologien dabei helfen können, das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen zu erreichen.    

Von welchen Technologien sprechen Sie denn?

Wir arbeiten auf der einen Seite an neuen Produkten wie Brennstoffzellen-Systeme oder Elektrolyseure. Diese sind noch nicht serienreif, aber wir sind auf dem besten Weg dorthin. Schon im nächsten Jahr werden wir drei Brennstoffzellen an den Duisburger Binnenhafen Duisport liefern. Sie werden dort völlig CO2-frei mit grünem Wasserstoff Strom erzeugen. Auch Elektrolyseure wollen wir kurzfristig auf den Markt bringen. Mit diesen kann man aus grünem Strom Wasserstoff herstellen, und der ist ein Schlüssel der Energiewende, insbesondere zur Speicherung von erneuerbaren Energien. Die Nachfrage nach diesen Produkten ist schon heute riesig und wir arbeiten intensiv darauf, diese marktreif zu machen.  

Doch auch unsere bestehenden Produkte machen wir fit für eine nachhaltige Zukunft. Viele unserer Diesel-Verbrennungsmotoren können schon heute mit nachhaltigen Kraftstoffen wie HVO laufen und so ihren CO2-, aber auch ihren Schadstoffausstoß drastisch verringern. Und wir arbeiten an ganz neuen Verbrennungsmotoren, die mit Wasserstoff oder Methanol betrieben werden. Die Welt der Antriebs- und Energieerzeugung ist im Wandel, und das fasziniert mich. Es ist spannend zu sehen, wie unser Unternehmen sich wandelt und den Weg zu Net Zero begeht. Diese Euphorie möchte ich auch hier auf dem COP verbreiten. Ich habe das Gefühl, dass dieser Gipfel sehr lösungsorientiert ist und es wirklich darum geht, konkrete Wege zu finden, der Klimakrise Herr zu werden.  

Im Interview fordert Andreas Görtz, Leiter der Geschäftseinheit Sustainable Power Solutions, Investitionssicherheit, um neue Technologien auf den Markt zu bringen.

Sie sprechen auf dem COP nicht nur mit potenziellen Kunden und Partnern, sondern auch mit Politikern. Welche Rahmenbedingungen benötigt Rolls-Royce, damit diese grünen Technologien kommerziell erfolgreich werden.  

Die Investitionssicherheit ist ein großes Thema – auch hier auf dem COP. Die EU hat mit dem Green Deal ein riesiges Investitions-, Gesetztes- und Strategiepaket verabschiedet, um 2050 klimaneutral zu werden und schon im Jahr 2030 55 Prozent CO2-Emissionen einzusparen. Dieses beinhaltet auch die Förderung sogenannter Lighthouse-Projekte, die in Sachen Klimaschutz vorangehen. Das klingt gut, allerdings fehlen konkrete Gesetze. Und erst diese Gesetze führe zu einer Investitionssicherheit.  

Die USA ist da einen Schritt weiter. Joe Biden hat mit der Verabschiedung des Inflation Reduction Acts das größte Klimapaket der USA durchgesetzt. Der ist zwar weniger ambitioniert als der Plan der EU – bis zum Jahr 2030 ist das Ziel nur eine 40-prozentige Einsparung an CO2-Emissionen – aber der Plan ist bereits ein Gesetz. Die USA investiert 369 Milliarden Dollar in saubere Technologien. Und zwar – und auch da ist ein großer Unterschied zu Europa – völlig technologieoffen. Zum Beispiel gibt es pro Kilogramm nachhaltig erzeugtem Wasserstoff eine Steuergutschrift von bis zu drei Dollar. Damit wird die USA einer der günstigsten Orte der Welt, sauberen Wasserstoff zu produzieren.  

Es ist auch völlig egal, wie dieser Wasserstoff hergestellt wird, Hauptsache er ist grün. Diese Technologieoffenheit fehlt Europa leider oft. Wir neigen dazu, die Energiewende zu überregulieren, und das schadet mehr, als dass es hilft. Wenn die Speicherung erneuerbarer Energie gefördert werden soll, dann ist es doch völlig gleich, ob dies mit einem Pumpspeicherkraftwerk oder einer Power-to-X-Anlage geschieht. Das Ergebnis zählt. Da können wir in Europa von den USA lernen.

Der COP27 findet ja nicht ohne Grund in Afrika statt. Der Kontinent ist am stärkten vom Klimawandel betroffen.  

Und nicht nur das, Afrika leidet nicht nur am meisten unter der Klimarkrise und spürt die Auswirkungen am direktesten. Der Kontinent hat nur einen Bruchteil der CO2-Emissionen verschuldet. Wir reichen Industrieländer haben jahrzehntelang auf Kosten des Klimas gelebt. Dieser Konflikt ist hier spürbar. Die Afrikaner erwarten, völlig zu Recht, dass wir sie unterstützen, von fossiler Energie wegzukommen.  

Gleichzeitig bietet die Klimakrise afrikanischen Ländern auch die Möglichkeit, wirtschaftlich zu profitieren und grüne Energie, sei es in Form von Strom oder von Wasserstoff, zu exportieren.  

Ganz genau. Es geht hier viel darum, nachhaltige Energie aus Afrika oder der Golfregion nach Europa oder in die USA zu exportieren. Es wird darüber gesprochen, Unterseekabel zu verlegen, um grünen Strom direkt nach Europa zu bringen. Auch Wasserstoff-Pipelines sind ein Thema. Doch es geht nicht nur um Strom und Wasserstoff, auch über Methanol und Ammoniak wird gesprochen. Die Kraftstoffe können aus Wasserstoff hergestellt werden und lassen sich – weil sie ja flüssig und nicht wie Wasserstoff gasförmig sind – leichter transportieren.  

Welchen Einfluss hat die derzeitige Energiekrise auf die Anstrengungen, klimaneutral Energie und Antrieb zu erzeugen?

Das ist ein komplexes Thema, über das ich gerade auf einer Panel-Diskussion gesprochen habe. Wir sind in Europa leider gerade dazu gezwungen, fossilen Kraftstoff zu subventionieren, damit er sowohl für die Wirtschaft als auch für die Privathaushalte bezahlbar bleibt. Das ist natürlich nicht nachhaltig und kontraproduktiv, wenn es um grüne Energieerzeugung geht.  Doch das Thema ist vielschichtiger.

Da Europa gerade diese hohen Energiepreise zahlt, fokussiert sich der Weltmarkt komplett auf diesen Kontinent. Große LNG-Tanker fahren beispielsweise an ärmeren Ländern vorbei nach Europa, weil sie hier mehr Geld für ihr Gas bekommen. Diese ärmeren Länder können es sich nicht leisten, die fossile Energie zu subventionieren und Preisdeckel einzuführen. Sie wird dort unbezahlbar und die Länder sind gezwungen, in nachhaltige Energieerzeugung zu investieren. In diesen Ländern ist die Krise schon jetzt ein Beschleuniger nachhaltiger Energie.

Mittelfristig wird das auch bei uns in Europa so sein. Alle wissen, dass unsere Zukunft in nachhaltig erzeugter Energie liegt. Wir brauchen nur noch ein wenig, bis wir so weit sind.  

Letzte Frage: Wann ist die Klimakonferenz für Sie ein Erfolg?

Ich fahre mit einem guten Gefühl wieder nach Hause, wenn ich das Gefühl habe, dass es zu einer Investitionssicherheit in Europa kommt und wir es schaffen, einen Ausgleich zwischen ärmeren und reicheren Ländern zu schaffen. Nur wenn wir den ärmeren Ländern helfen, weg von fossiler Energie zu kommen, haben wir eine Chance, die Energiekrise global zu lösen. Die Technologien dazu sind da, wir müssen sie nur zum Einsatz bringen.  

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