„Maybach lebt in den Köpfen der Mitarbeiter“
Veröffentlicht am 27 März 2009 von Lucie Maluck, Bilder von mtu-Unternehmensarchiv
Interview mit Irmgard Schmid-Maybach, der Tochter Karl Maybachs.
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ZustimmenAls der geniale Motorenkonstrukteur Karl Maybach wegen eines Motorschadens im Auto auf der Landstraße stehen geblieben ist, konnte er selber nicht Hand anlegen. Er kannte Motoren nur auf dem Zeichenbrett und hatte für praktische Arbeiten zwei linke Hände. Das erzählt seine Tochter Irmgard Schmid-Maybach im Interview mit dem mtu Report. Sie erklärt außerdem, wie tief sie weiterhin mit dem Unternehmen verbunden ist, dass damals wie heute die Fähigkeit zur Vorausschau eine der größten Stärken des Unternehmens ist und bis heute noch viel Maybach in der mtu steckt.
Ihre Entwicklung im Zusammenhang mit der mtu ist bemerkenswert: Sie sind die Tochter des berühmten Motorenkonstrukteurs Karl Maybach, haben mit ihm zusammen gearbeitet, später die Familie Maybach als mtu-Gesellschafterin und Aufsichtsrätin vertreten und sind jetzt Ehrenmitglied im Aufsichtsrat. Wie beschreiben Sie die verschiedenen Rollen?
Irmgard Schmid-Maybach: In meiner Kindheit hatte ich mit der damaligen Firma Maybach-Motorenbau nichts zu tun. Mein Vater hat die Firma aus unserem Familienleben völlig herausgehalten. Wir durften ihn nur ab und zu am Werkstor abholen, und das war immer etwas sehr Besonderes. Daher kann ich mich noch gut an den Moment erinnern, als ich die Firma das erste Mal betreten habe: Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg habe ich meinen Vater als Fahrerin unterstützt und seine Korrespondenz erledigt. In dieser Zeit sind die Bindungen zur Firma natürlich stärker geworden. 1957 bin ich dann nach meiner Hochzeit nach Amerika gezogen, wo ich seitdem lebe. Die Verbindung zur mtu ist jedoch nie abgerissen, seit 1984 habe ich meine Familie im Aufsichtsrat der mtu vertreten. Und das mit großem Ernst und Verantwortungsbewusstsein. Als wir im Jahr 2006 unsere Anteile an der mtu verkaufen mussten, sah es so aus, als ob unsere Verbindung zur mtu nach so langer Zeit von heute auf morgen abbrechen würde. Darüber war ich sehr traurig, bin aber trotzdem weiter mit der Geschäftsführung in Verbindung geblieben. Im Jahr 2007 wurde ich Ehrenmitglied im Aufsichtsrat der mtu. Das ist eine schöne Möglichkeit, mit dem Unternehmen in Kontakt zu bleiben.
Sie wohnen jetzt schon seit 52 Jahren in den Vereinigten Staaten von Amerika. Warum haben Sie Ihren Lebensmittelpunkt in die USA verlegt?
Irmgard Schmid-Maybach: Der Grund war die Liebe. Mein Mann ist als Arzt nach Amerika gegangen und ich bin ihm direkt nach der Hochzeit gefolgt. Bis zu seinem Tod im Jahr 1984 haben wir zusammen die Praxis geleitet, er als Arzt und ich als seine Arzthelferin. Eine sehr schöne und inhaltsreiche Zeit. Ich bin aber trotzdem noch oft nach Friedrichshafen geflogen, um meine Familie zu besuchen und an den Aufsichtsratssitzungen teilzunehmen.
Immer wieder nehmen Sie die weiten Reisen von San Francisco nach Friedrichshafen auf sich, um das Unternehmen zu begleiten. Wie groß ist Ihre emotionale Bindung an die heutige mtu?
Irmgard Schmid-Maybach: Die ist noch genauso stark wie sie immer war, daran hat sich absolut nichts geändert. Denn der Geist, der in der mtu herrscht, ist so besonders und ganz anders als in anderen Unternehmen. Ich habe große Ehrfurcht und Achtung davor, wie die Betriebsangehörigen zusammenhalten und ihre Arbeit ausführen. Sie prägen das Unternehmen.
Wie schätzen Sie Ihren Einfluss ein, den Sie aus über 10.000 Kilometern Entfernung auf das Unternehmen ausüben können?
Irmgard Schmid-Maybach: Oh, mein Einfluss ist wirklich verschwindend gering, da mache ich mir keine Illusionen. Ich bin zwar in den Aufsichtsratssitzungen dabei und kann sagen, was ich denke – und das mache ich auch. Aber als Ehrenmitglied habe ich ja keinen Einfluss auf Entscheidungen. Und ich bin auch einfach zu weit weg von der Firma, da würde ich es mir nicht anmaßen, eine Entscheidung anzuzweifeln.
Durch die Zusammenlegung der Aktivitäten der Maybach Mercedes Benz AG und der M.A.N. Turbo GmbH entstand 1969 die MTU Friedrichshafen und der Name Maybach verschwand aus dem Firmennamen. Wie viel Maybach steckt denn trotzdem noch in der mtu?
Irmgard Schmid-Maybach: Sehr viel, das stelle ich immer wieder fest, wenn ich die mtu besuche. Der Geist meines Vaters ist immer noch im Unternehmen, er lebt in den Mitarbeitern weiter. Es ist so schön zu sehen, dass viele Familien in Friedrichshafen schon über Generationen in der Firma arbeiten. Der Großvater, der Sohn und jetzt der Enkel. Bei einem meiner jüngsten Besuche in der mtu habe ich den Sohn einer der Fahrer meines Vaters getroffen. Der Fahrer gehörte praktisch zur Familie, und jetzt arbeitet sein Sohn auch in der Firma. Das ist doch wunderschön.
Ihre Familie ist untrennbar mit der Marke Maybach verbunden. Wie sieht denn Ihr heutiges Engagement aus?
Irmgard Schmid-Maybach: Ich habe das große Glück, dass zwei meiner Söhne den Namen Maybach in anderen Projekten weiterführen. Mein ältester Sohn, Christoph, führt das Maybach Weingut im kalifornischen Napa Valley – und dies mit der gleichen Detailverliebtheit wie sein Großvater. Die Qualität, die Karl Maybach mit seinen Automobilen erzielte, will Christoph mit seinen Weinen erzielen. Mein zweiter Sohn, Ulrich, leitet die 2006 gegründete Wilhelm & Karl Maybach Foundation, wo ich auch im Verwaltungsrat sitze. Das Prinzip der Stiftung ist Mentoring: So wie Gottlieb Daimler meinen Großvater Wilhelm Maybach, und der wiederum meinen Vater Karl in der Entwicklung gefördert hat, sollen in der Stiftung auch besonders begabte Leute gefördert werden. Der erste war ein junger Arzt aus Südafrika, der sich auf die Krankheit AIDS spezialisiert hat. Wir haben ihn soweit gefördert, dass er jetzt sein Wissen in ganz Afrika an junge Ärzte weitergibt. Und dann gibt es ja noch den Wilhelm-Maybach-Preis in Heilbronn und den Karl-Maybach-Preis in Friedrichshafen, die von meiner Familie gestiftet wurden.
Sie sind auch nach dem Börsengang und der Umstrukturierung der „alten mtu“ eine der bedeutendsten Persönlichkeiten für die mtu, das zeigt nicht zuletzt auch Ihre Ehrenmitgliedschaft im Aufsichtsrat der MTU Friedrichshafen. Was sind Ihrer Meinung nach die Stärken des Unternehmens?
Irmgard Schmid-Maybach: Da fallen mir sofort zwei Punkte ein: Zum einen steht die Qualität der Motoren an allererster Stelle, und das ist ganz wichtig. Ich bin aber auch sehr beeindruckt davon, dass das Unternehmen immer in die Zukunft blickt. Und da zeigt sich wieder, dass hier der Geist meines Vaters und meines Großvaters weiterlebt. Für sie war es immer das Wichtigste, vorauszuschauen. Daher hatten wir auch nie viel Geld. Das Geld, das da war, haben beide in die Entwicklung investiert. Sie haben nie einfach nur Automobile oder Motoren produziert, sondern immer nach Verbesserungspotenzialen gesucht, um perfekte Produkte zu produzieren. Und dass auch das heutige Unternehmen Tognum in die Zukunft blickt, zeigen die aktuellen Entwicklungen, zum Beispiel im Bereich der Brennstoffzelle. Das ist sicher eine tolle Zukunftsoption für die dezentrale Energieerzeugung.
Sehen Sie hier die Zukunft der mtu?
Irmgard Schmid-Maybach: Die stärkere Fokussierung auf die dezentrale Energieerzeugung ist ein Punkt, den ich hervorheben möchte, sie ist sicherlich ein Eckpfeiler für die Zukunftsplanung. Sei es nun mit der Brennstoffzelle oder auch mit Gasmotoren. Aber auch der Dieselmotor wird weiter im Fokus stehen. Die ständige Weiterentwicklung, beispielsweise mit der Abgasnachbehandlung, hat dazu geführt, dass das Unternehmen auch auf die immer strenger werdenden Emissionsvorschriften die richtigen Antworten haben wird, da bin ich mir sicher.
Zum Abschluss eine sehr persönliche Frage: Sowohl Ihr Großvater Wilhelm Maybach als auch Ihr Vater Karl Maybach gehören zu den größten und wichtigsten Pionieren des Motorenbaus. Beide waren sicherlich passionierte Techniker. Aber was hat sie ausgezeichnet?
Irmgard Schmid-Maybach: Meinen Großvater Wilhelm Maybach kenne ich nur als lieben Großvater, den ich als Kind sehr verehrt habe. Wir haben ihn am Wochenende oft besucht, und das war immer wunderschön. Auch meinen Vater habe ich vor allem als hervorragenden Familienvater in Erinnerung, der die Firma lange Zeit aus unserem Leben völlig herausgehalten hat. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als wir nicht mehr in Friedrichshafen, sondern in Wangen und dann in Garmisch gewohnt haben, hat mein Vater angefangen, von der Firma zu erzählen. Oft stundenlang am Abend. Er hatte ein enormes Verantwortungsbewusstsein seinen Mitarbeitern gegenüber, das bleibt mir in Erinnerung. Zwar hatte er großes Vertrauen in sie, aber zugleich wollte er immer genau wissen, was im Unternehmen passiert. Er hat nie einen Brief unterschrieben, ohne den Inhalt gelesen und verstanden zu haben. An eine lustige Geschichte kann ich mich noch gut erinnern. Sie zeigt, dass mein Vater buchstäblich zwei linke Hände hatte. Als ich ihn einmal gefahren habe, sind wir mit meinem Wagen auf der Landstraße stehen geblieben. Ich habe natürlich gehofft, dass er als Motorenbauer den Motor sofort reparieren konnte. Aber er sagte nur: „Wenn wir das Problem nun auf Papier hätten, dann könnte ich dir sofort helfen. Aber in den Motor hineinschauen kann ich nicht.“
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