3 Tage, 8 Stunden, 27 Minuten
Veröffentlicht am 30 Oktober 2013 von Dag Pike, Bilder von Dag Pike, Owen Billcliffe, mtu-Unternehmensarchiv
In der Rekordzeit von 3 Tagen, 8 Stunden und 27 Minuten überquerte die Virgin Atlantic Challenger II im Jahr 1986 den Atlantik. Jetzt traf sich die Crew von damals zu einer Comeback-Fahrt.
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ZustimmenEs war ein Rekord für die Ewigkeit. Im Jahr 1986 überquerte die Virgin Atlantic Challenger II den Atlantik in der Rekordzeit von drei Tagen, acht Stunden und 27 Minuten. Doch anstatt im Museum endete das legendäre Rennboot in einer Werft auf der Baleareninsel Mallorca. Dort fand sie der britische Bootsliebhaber Dan Stevens und restaurierte sie, so dass sie heute wieder im alten Glanz erstrahlt. Zusammen mit der ehemaligen Crew präsentierte er sie im Sommer der Öffentlichkeit. Einer der Crewmitglieder war Dag Pike. Er navigierte das Rennboot damals über den Atlantik. Für den mtu Report berichtet er von diesem Comeback und erinnert sich an die Rekordfahrt .
Meine Gefühle vor bei dieser Fahrt werde ich wohl nicht vergessen. Furchtlos und voller Enthusiasmus schienen meine Kollegen und ich – bereit für ein riesiges Abenteuer. Wir waren sechs junge Männer, die gemeinsam den Atlantikrekord brechen wollten. Denn mit dem hatten wir noch eine Rechnung offen. Ein Jahr vorher haben wir schon einmal versucht, den Rekord zu brechen. Doch 200 Seemeilen vor dem Ziel in England sank die Virgin Atlantic Challenger, was für eine Schmach! Im Sommer 1986 starteten wir also den zweiten Versuch, mit der Virgin Atlantic Challenger II. Und heute kann ich es ja zugeben: Ich hatte Angst, eine furchtbare Angst. Denn ich wusste: Der Atlantik schenkt einem nichts. Vor uns lagen 3.000 Meilen der stürmischsten Gewässer weltweit und ein 22 Meter langes Boot, das in der Morgendämmerung von New York so klein und zerbrechlich wirkte.
Revival der Abenteurer
Jetzt kamen wir sechs wieder zusammen. Richard Branson, der damals das Team leitete. Steve Ridgway, langjähriger Geschäftsführer der Fluglinie Virgin Atlantic, und der berühmte Segler Chay Blyth. Eckie Rastig kümmerte sich damals als Techniker um die zwei 1.142 Kilowatt starken mtu-Zwölfzylinder der Baureihe 396. Peter McCann von der BBC filmte das Ereignis für die Nachwelt. Ich selbst war für Navigation und Wetter zuständig. Heute sind unsere Haare etwas grauer, die Gesichter faltiger, doch Abenteurer sind wir noch immer. In alter Besetzung wollten wir die Ereignisse von damals noch einmal Revue passieren lassen. In Plymouth, dem neuen Heimathafen der Virgin Atlantic Challenger II, trafen wir uns und fuhren die Küste entlang ins 20 Meilen entfernte Fowey. Richard Branson – heute Sir Richard Branson – strahlte vor Aufregung. Der emotionalste Moment: der Start der mtu-Motoren. Das Geräusch der beiden 396er rief so viele Erinnerungen hervor.
Glücklich wie selten zuvor
Doch die intensivsten Erinnerungen habe ich an den Moment , an dem wir realisiert haben, dass wir es geschafft haben. Wir sahen den Leuchtturm von Bishops Rock und wussten: „Wir haben es geschafft.“ Da war ich so glücklich wie selten zuvor. Alles schien unwirklich. Ich war körperlich und mental erschöpft und konnte kaum stehen. Ich war so müde, dass ich nicht einmal schlafen konnte. Es dauerte eine Woche, bis sich unsere geschundenen, mit blauen Flecken übersäten Körper erholt hatten. Selbst heute kann ich die Schmerzen noch spüren.
Von einem Eigner zum nächsten
Doch als wir wieder auf das Boot stiegen, haben wir natürlich nicht an die Schmerzen gedacht. Wir waren so voller Freude. Ich hatte nie gedacht, dass ein Boot und seine Motoren so viel durchmachen und immer noch funktionieren. In den 27 Jahren seit unserem Rekordversuch hatte die Virgin Atlantic Challenger II mehrere Eigner und wurde mehrfach umgebaut.
Ich hatte nie gedacht, dass ein Boot und seine Motoren so viel durchmachen und immer noch funktionieren.
Nach dem Rekordversuch wurde sie an Prinz Rashid von Saudi-Arabien verkauft und lag die meiste Zeit in Sudfrankreich im Hafen. Irgendwann verlor der das Interesse an der Yacht. Sie wurde in Beaulieu-sur-Mer aus dem Wasser geholt und lag zehn Jahre auf dem Trockenen, bis der Brite Marshall Rice sie kaufte. Er wollte es restaurieren und zurück nach Großbritannien bringen. Um die Motoren zu prüfen, beauftragte er den ehemaligen mtu-Mitarbeiter Eckie Rastig. Er war ja bei unserer Rekordfahrt dabei und kannte das Boot gut. Was er feststellte, hat uns alle verwundert: Nach dem Einbau neuer Batterien sprangen sie gleich beim zweiten Versuch an. Nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass die Motoren zehn Jahre lang nicht gelaufen sind. Es konnte also schon bald losgehen und Marshall Rice überführte die Yacht nach Palma de Mallorca, wo er sie überholen wollte. Doch leider starb er kurz danach an Krebs.
„Teil des maritimen Erbes von Großbritannien“
Wieder lag das Boot ohne Wartung in einer Werft und wurde zum Verkauf angeboten. Jahrelang fand sich kein Käufer bis Dan Stevens, der Besitzer einer Bootswerft im englischen Plymouth, davon hörte und sich zum Kauf entschloss. „Dieses Boot ist Teil des maritimen Erbes von Großbritannien", so Stevens. „Ich konnte nicht zulassen, dass es verschrottet wird“, sagte er. Er reiste mit seinem Team nach Mallorca, um die Yacht wieder fahrtüchtig zu machen. Damit ermöglichte er auch uns, wieder auf das Boot zu steigen und unsere Erinnerungen aufzufrischen. Die kamen sofort mit zurück, als wir die Virgin Atlantic Challenger II betraten: Erinnerungen an den Versuch, geeignete Wettervorhersagen für unseren Rekordversuch zu bekommen. An die unglaubliche Müdigkeit und die Schmerzen jener sagenhaften Überfahrt, während der wir drei Tage lang praktisch nicht geschlafen haben. An das Stampfen und Schlingern. An das Hin- und Hergeworfen-Werden in den Wellen des Atlantiks.
Sie sieht noch immer aus wie früher und hört sich auch immer noch so an. Es ist wunderbar, wieder hier zu sein.
Erinnerungen an eine ereignisreiche Fahrt
Die ersten zwei Tage liefen richtig gut. Wir fuhren durch sehr flaches Gewässer und mit voller Geschwindigkeit und im dichten Nebel vorbei an den Eisbergen vor der Küste Neufundlands. Südöstlich von Neufundland machten wir bei Nacht unseren zweiten Bunkerstopp. Danach begann das Unheil. Denn plötzlich liefen die Motoren nicht mehr rund und stoppten. Wir starteten sie erneut und wieder stoppten sie. Bis dahin waren sie tadellos gelaufen. Was war passiert? Eckie Rastig eilte in den Maschinenraum und kam mit Kraftstofffiltern zurück, die statt mit Kraftstoff voll mit Wasser waren. Es zeigte sich, dass wir beim Bunkern vier Tonnen Kraftstoff und acht Tonnen Wasser aufgenommen hatten. Und selbst mtu-Dieselmotoren laufen oben nicht mit Wasser. Also mussten wir die Kraftstoffbehälter zweimal entleeren und neu befüllen, bevor nahezu reiner Kraftstoff zum Filter strömte. Warum das alles? Die Crew des Bunkerschiffes hat die Tanks verwechselt und uns statt mit Diesel mit Wasser betankt. Unsere Stimmung war am Boden, denn es sah so aus, als wäre unser Rennen gelaufen. Wir wollten schon nach Neufundland zurückfahren und aufgeben.
Dank ans Wetter
Doch das Wetter hatte andere Plane. Ein gewaltiger Sturm zog auf. Umdrehen hatte bedeutet, direkt in die Unwetterfront zu fahren. Also blieb uns nur eins: Weiter mit Kurs nach Osten, auch wenn unsere Chancen auf den Rekord jetzt, mit zehn Stunden Verspätung, minimal waren. Die mtu-Motoren liefen zwar, stoppten aber alle 30 Minuten, da noch immer Wasser im System war. Viel schlimmer war aber, dass wir bald keine Kraftstofffilter mehr an Bord hatten. Doch dann kam uns die Royal Air Force zu Hilfe und warf einen Kanister voll neuer Filter mit einem Fallschirm ab. Mit diesen zusätzlichen Filtern hieß es nun für uns: Kurs auf die Scilly-Inseln und volle Fahrt voraus, damit der Sturm uns nicht einholt. Die Wellen wurden immer hoher und die Fahrt rauer. Nach 48 Stunden waren wir unglaublich übermüdet, hatten durch die ständigen Bootsbewegungen überall blaue Flecken und gleichzeitig schreckliche Angst vor dem Wetter. Wir alle setzten Energien frei, von denen wir gar nicht wussten, dass wir sie hatten.
Die längste Nacht auf dem Meer
Nach einem weiteren Bunkerstopp mitten im Atlantik fuhren wir weiter gen Osten. Diese letzte Nacht werde ich nicht vergessen. Trotz unserer gut gepolsterten Sitze begann der Schmerz unten an der Wirbelsäule und setzte sich fort bis nach oben in den Kopf. Das war die längste Nacht, die ich je auf dem Meer verbracht habe. Und man konnte nichts tun, außer auf die nächste Welle zu warten und nicht weiter in die Zukunft zu denken. Den Rekord um zwei Stunden unterboten Was wir nicht wussten: Nicht nur wir, sondern auch der Rest der Welt hielt den Atem an. In der Abgeschiedenheit des Atlantiks waren wir von der Außenwelt völlig abgeschnitten und einzig darauf konzentriert, unsere Aufgabe zu erledigen. Gleichzeitig jedoch verfolgte die Welt unser Weiterkommen gebannt und hoffte ebenso wie wir, dass der Rekord gebrochen wurde. Mit dem Aufgang der Sonne wurde die Aufgabe etwas leichter und 20 Meilen vor Bishop Rock sah es für uns gut aus: Wenn wir die Geschwindigkeit beibehalten konnten, wurden wir den bisherigen Rekord um zwei Stunden unterbieten und hatten nur noch eine halbe Stunde Fahrt vor uns. Gleich wurde der Leuchtturm in Sichtweite kommen und wir wurden die Ziellinie überqueren. Doch dann wurde der Himmel schwarz - das Unwetter hatte uns überholt. Der Regen war so stark, dass das Radar ausfiel und die Sicht durch die Fenster nur etwa eine Meile betrug. Nun hatten wir also dem Atlantik Über 3.000 Meilen getrotzt, rasten mit einer Geschwindigkeit von 50 Knoten auf die Felsen der Scilly-Inseln zu und waren so gut wie blind. Ich hatte heulen können. Dann, nur zwei Meilen vor dem Ziel, war der Leuchtturn zu sehen. Welch eine Erleichterung!
Alles beim Alten
Diese Erleichterung spurte ich auch, als ich das Boot wieder betrat. Wir alle konnten unser Glück kaum fassen. „Sie sieht noch immer aus wie früher und hört sich auch immer noch so an. Es ist wunderbar, wieder hier zu sein“, sagte Sir Richard Branson richtig euphorisch. Und irgendwie war noch alles wie früher. Auch das Boot hat sich kaum verändert. Die Navigationselektronik ist zwischenzeitlich erneuert worden. Außerdem befindet sich neue Sicherheitsausrüstung an Bord und der Maschinenraum ist mit einer feuerfesten Verkleidung ausgestattet worden. Aber die Sitze, die während der rauen Überfahrt einen Teil der Stöße abgefedert hatten, sind noch immer die gleichen. Auch die Geräusche sind unverändert – das zuverlässige Brummen der zwei 1.142 Kilowatt starken mtu-Motoren ist noch genau so, wie wir es in Erinnerung hatten. Nur die Geschwindigkeit des Bootes ist diesmal etwas gemächlicher – so wie es sich für eine alte Lady gehört. Noch heute kann ich es kaum glauben, wie klein das Boot ist. „Haben wir wirklich darin den Atlantik überquert?"
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