STORY Power Generation

Hart am Limit

Veröffentlicht am 01 Oktober 2021 von Lucie Maluck, Bilder von Rolls-Royce Power Systems

Eiseskälte in Sibirien, Hitze in der Wüste, meterhohe Welle oder bebende Erde – mtu-Motoren der Baureihen 2000 und 4000 halten so einiges aus.
Wer in der sibirischen Stadt Aichal lebt, darf früher in Rente gehen und bekommt alle zwei Jahren einen Erholungsurlaub am Schwarzen Meer. Denn die Stadt in der Teilrepublik Jakutien gilt als die Kältekammer Russlands. Temperaturen von bis zu minus 60 Grad Celsius sind hier keine Seltenheit. Unter diesen Bedingungen laufen Muldenipper mit mtu-Motoren 24 Stunden am Tag. Sie arbeiten in der Mine Jubilejny und helfen dabei, jedes Jahr Diamanten mit 10 Millionen Karat zu fördern.

„Zunächst war ich skeptisch, ob die leistungsfähigen Motoren von mtu dies wirklich können, aber sie laufen problemlos“, erzählt der damalige Chefingenieru des Minenbetreibers Alrosa Vladimir Koyhevnikov. Die Motoren sind speziell auf die Bedingungen in der eisigen Kalte Sibiriens vorbereitet. Da der in dieser Gegend verwendete Polardiesel einen Kerosinanteil von 60 Prozent hat und damit wesentlich dünnflüssiger als der sonst im Winter verwendete Winterdiesel ist, sind die Injektoren so ausgelegt, dass der dünnflüssige Kraftstoff sie nicht zerstört. Jalousien vor dem Kühler verhindern, dass der Motor auskühlt. Sie werden immer dann im Leerlauf geschlossen, wenn es zu kalt wird. Der Motorregler passt die Kraftstoffmenge und den Einspritzzeitpunkt zudem automatisch der Lufttemperatur an. Außerdem wird beim Start in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur zusätzlich zur Haupteinspritzung die Voreinspritzung aktiviert.

In der Aichal Diamantenmine in Sibirien müssen Muldenkipper auch bei Temepraturen bis zu minus 60 Grad Celsius zuverlässig laufen.

Züge in der Wüste

Frieren oder zu wenig Sauerstoff in der Luft ist in Saudi Arabien kein Thema. Dort gibt es aber eine ganz andere Herausforderung für Motoren: Sand und Hitze. Quer durch die Sandwüste – von der Hafenstadt Dammam am Persischen Golf bis in die Hauptstadt Riad im Landesinneren – treiben mtu-Motoren dort zehn Lokomotiven des spanischen Herstellers CAF an. Bis zu 60 Grad Celsius über Null sind dort genauso an der Tagesordnung wie Sandstürme, die einen die Hand vor Augen nicht mehr sehen lassen. Überhaupt sind die Bedingungen für Züge in der Wüste schwierig: Kamele versperren häufig den Weg und genauso wie in kälteren Gegenden die Gleise von Schnee befreit werden müssen, sind hier Sandverwehungen ein Problem. Und das mitten in der Wüste, wo nicht permanent jemand vorbeikommen kann, um die Gleise zu räumen. Ganz nebenbei ist der Wüstensand so fein, dass keine Dichtung ihm standhält – auch nicht die des Motorraums.  

Jede der zehn dieselelektrischen Triebköpfe ist mit zwei 1,800 Kilowatt starken mtu-Zwölfzylindermotoren der Baureihe 4000 ausgestattet. Diese sind Teil kompletter Powermodule, die aus einem Bahnmotor, einem Traktionsgenerator und dem mtu-Automationssystem Powerline bestehen. „Zwei mtu-Motoren in einen Triebkopfzu integrieren, ist einzigartig und das Ergebnis maßgeschneiderter Entwicklungsarbeit“, so mtu-Projektleiter Frank Scheider. Die Anforderung sei der Tatsache geschuldet, dass die Motoren redundant sein sollten, da ihr Betrieb lebenswichtig war. „Wenn die Motoren mitten in der Wüste ausfallen, würde noch nicht einmal die Klimaanlage funktionieren, das wäre lebensgefährlich für die Passagiere“, so Scheider, der ausdrücklich auch die Zusammenarbeit mit dem Hersteller CAF lobt.    

Auch das Luftfilterkonzept der Triebköpfe ist auf die sandigen Bedingungen in der Wüste ausgelegt. Spezielle Zyklon-Grobfilter filtern 90 Prozent der Sandkörner aus, bevor die Luft durch das Dach des Triebkopfes in den Maschinenraum gelangt. Bevor die Luft jedoch vom Turbolader komprimiert in die Brennkammer gelangt, wird sie nochmals durch zwei große Zyklonluftfilter mit jeweils einem integrierten Papierfilter gereinigt. Was jetzt noch in den Motor gelangt, schadet ihm nicht mehr.  

mtu-Motoren zum Durchkentern

„Wenigstens ist es eben“, könnten sich die Motoren der mtu-Baureihe 2000 denken, die in Seenotrettungskreuzern immer dann zuverlässig arbeiten müssen, wenn die See so rau ist, dass andere Schiffe in den Hafen zurückkehren oder in Seenot geraten. Damit die Seenotretter auch dann weiterfahren können, bietet Rolls-Royce für diese Schiffe ein spezielles SAR-Kit, also ein Kit für Search- and Rescue-Vessels (SAR) entwickelt. Dieses ermöglicht den Motoren, auch in extremen Schräglagen oder sogar beim Durchkentern weiterzulaufen. Unter anderem Seenotrettungsorganisationen in Deutschland, dem Vereinigten Königreich, den Niederlanden, Norwegen, Kanada und bald auch die Feuerwehr in Hong Kong setzen bereits auf diese Technik. Die Idee dieses Systems: Eine tiefe Sonderölwanne mit Zwischenrahmen sowie eine dafür entwickelte Kurbelgehäuseentlüftung ermöglichen die extreme Schräglagen und den „Purzelbaum“ des laufenden Motors bei hohem Seegang. . Die Kurbelgehäuseentlüftung und deren Rohrleitungen sind so konstruiert, dass bei einer 360-Grad-Drehung kein Öl oder Ölnebel in den Ansaugtrakt des Motors gelangen können. Eine unkontrollierte Verbrennung wird auf diese Weise verhindert. Die Motoren werden zudem mit einem digitalen Neigungssensor ausgestattet. Dieser liefert kontinuierlich Messwerte an eine eigens dafür programmierte Software, welche die Signale verarbeitet und entsprechende Schutzfunktionen der Motoren einleitet. Durch ihre hohe Variabilität ermöglicht es die Software, das SAR-System an Kundenwünsche oder verschiedene Schiffsdesigns anzupassen.  

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Erdbebensichere Aggregate

Und was ist, wenn die Erde bebt? Notstromaggregate – egal, ob sie in Rechenzentren oder in Krankenhäusern die Stromversorgung absichern – dürfen dann nicht ausfallen. In Kalifornien wackelt die Erde 10.000 mal im Jahr und auch im Rest der Welt sind Erdbeben keine Seltenheit. Das müssen auch die mtu-Stromaggregate mit Motoren der Baureihe 4000 aushalten. Dass sie das können, haben sie auf einem speziellen Prüfstand in den USA bewiesen. Auf einem Prüftisch wurde ein Aggregat mit einem 3.250-Kilowatt starken 4000er-Motor kräftig durchgeschüttelt und dann gestartet.    

Das Ergebnis: Vor, und was noch viel wichtiger ist, auch nach dem gefühlten Erdbeben lief das Aggregat und tat das, was es in so einem Fall machen muss: Strom liefern. Das Aggregat erfüllt somit die Vorgaben des International Building Codes (IBC).

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