270 Grad heiß ist die Ansaugluft, wenn sie vom Turbolader verdichtet wird. Heiße Luft hat aber mehr Volumen als kalte Luft. Um dem Motor mehr Luft und damit mehr Sauerstoff zuzuführen, senkt ein Ladeluftkühler die Temperatur der Luft auf etwa 50 Grad. In einem zweistufigen Aufladesystem kommen sogar zwei Ladeluftkühler zum Einsatz Der erste befindet sich schon zwischen der Nieder- und der Hochdruckstufe. Somit bekommt die Hochdruckstufe kühlere Luft zugeführt und kann diese weiter verdichten.
34 Jahre – und damit weitaus kürzer als bei Nutzfahrzeugen – ist es erst her, als im Jahr 1978 der erste Pkw mit einem turboaufgeladenen Dieselmotor auf den Markt kam. Der Mercedes 300 SD wurde jedoch hauptsächlich in Amerika verkauft. In Europa haben die so genannten „Turbodiesel“ erst Mitte der 1990-er Jahre den Durchbruch geschafft. Der Turbolader und die direkte Kraftstoffeinspritzung verhalfen dem Dieselmotor zu einem ganz neuen Image: Er war fortan nicht mehr der zuverlässige, aber langsame und laute Nutzfahrzeugmotor, sondern galt als verbrauchsarm, spritzig und schnell.
2-stufig geregelte Aufladung ist eine Antwort von mtu auf die immer weiter sinkenden Grenzwerte für den Ausstoß von Rußpartikeln und Stickoxiden. Die Verbrennungsluft des Motors wird nicht wie bisher einstufig von einem Turbolader verdichtet und in den Brennraum geleitet, sondern von zwei Turboladerstufen. Zunächst wird die Luft durch einen Niederdruckturbolader vorverdichtet, dann zwischengekühlt und dann in einem Hochdruckturbolader nachverdichtet. Dieses von einer von mtu selbst entwickelten Motorsteuerung geregelte Aufladesystem sorgt dafür, dass dem Motor auch bei viel Gegendruck gleichbleibend viel Luft zur Verfügung steht. Denn dieser steigt beim Einsatz von Technologien, die die Bildung und den Ausstoß von Schadstoffen verhindern sollen: dem Miller-Verfahren, der Abgasrückführung und dem Dieselpartikelfilter. Um den Motor trotzdem mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen, muss der Turbolader – vereinfacht gesagt – mehr Luft in den Brennraum pressen. Eine einstufige Aufladung reicht dafür oft nicht mehr aus. Der im Jahr 2010 vorgestellte neue Bahnmotor der Baureihe 4000 wird zweistufig aufgeladen. Mit einem gekühlten Abgasrückführungssystem und einem Dieselpartikelfilter erfüllt dieser die ab 2012 geltenden Emissionsvorschriften der EU-Stufe 3B. Auch für weitere mobile Anwendungen, beispielsweise in Motoren für Bau- und Minenfahrzeuge, ist die zweistufig geregelte Aufladung in Motoren der Baureihen 1600, 2000 und 4000 fest eingeplant. Bei stationären Anwendungen, zum Beispiel zur Stromerzeugung, bei denen die Turbolader weniger dynamisch reagieren müssen, wird dagegen weiterhin die kostengünstigere einstufige Turboaufladung zum Einsatz kommen.
30.000 Stunden kann der Turbolader eines mtu-Bahnmotors betrieben werden, bis er gewartet werden muss. Das sind selbst dann, wenn der Motor 24 Stunden am Tag läuft, fast drei Jahre lang. Bei Fahrzeugen, die sehr dynamisch betrieben werden, müssen die Turbolader allerdings häufiger gewartet werden, da die häufigen Lastwechsel das Material extrem beanspruchen. Schon bei der Entwicklung der Turbolader ist die Haltbarkeit ein wichtiges Thema. Mit effizienten Berechnungs- und Simulationswerkzeugen werden sie schon lange bevor sie zum ersten Mal auf dem Prüfstand getestet werden analytisch optimiert. Um die Strömung und die strukturmechanische Belastung des Laders zu simulieren, setzen die Entwickler beispielsweise dreidimensionale Berechnungsverfahren ein.
80 Mitarbeiter stellten im Jahr 2011 bei mtu 7.600 Turbolader her. „In den vergangenen Jahren haben wir den Maschinenpark komplett erneuert“, erzählt Willi Kempter, Projektleiter in der mtu-Turboladerreorganisation. Das besondere Know-how liege in der Geometrie der Turbinen und Verdichterräder, erklärt er. Kleinste Veränderungen können dazu führen, dass deutlich weniger Luft in den Brennraum gelangt. Bei einigen Turboladervarianten ist diese Geometrie sogar variabel. Dadurch lässt sich die Leistungsabgabe und das Ansprechverhalten der Turbolader besser an die Betriebsbedingungen des Motors anpassen. Über verstellbare Vorleitschlaufen wird das Abgas so an die Turbinenschaufel gelenkt, dass sie bei niedriger Drehzahl schnell hochlaufen und danach einen hohen Abgasdurchsatz erlauben. Auch wichtig: Das Verdichter- und das Turbinenrad müssen exakt in das Lagergehäuse passen. „Da reden wir von Fertigungstoleranzen im Mü- Bereich“, so Kempter. Es müssen exakte Abstandsmaße zwischen dem Turbinengehäuse und dem Turbinenrad eingehalten werden, damit die Luft wirkungsvoll genutzt wird.