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Automatisch verbunden

Veröffentlicht am 25 Januar 2017 von Lucie Maluck, Bilder von Robert Hack

Um sicherzugehen, dass nicht nur der Motor, sondern auch die Verbindung zum Fahrzeug erstklassig ist, entwickelt mtu für jede Anwendung spezielle Automationssysteme.
Friedrichshafen, Germany

Was bringt ein erstklassiger Motor, der nur zweitklassig mit dem Fahrzeug verbunden ist? Er schöpft auf jeden Fall sein Potenzial nicht aus. Nur wenn alle Komponenten des Motors perfekt miteinander harmonieren und diese passgenau mit dem Fahrzeug verbunden sind, kann er seine volle Leistung entfalten. Um sicherzugehen, dass nicht nur der Motor, sondern auch die Verbindung zum Fahrzeug erstklassig ist, entwickelt mtu für jede Anwendung spezielle Automationssysteme: Sie alle steuern, überwachen und regeln alle Funktionen der Antriebsanlage und auf Kundenwunsch noch weitere Komponenten.

Ein Automat bestückt die Leiterplatten. Mitarbeiterinnen aus der Elektronikabteilung legen die Bänder mit den elektronischen Bauteilen in diese Vorrichtung – auch Feeder genannt.

Ein klimatisierter Raum, Mitarbeiter in weißen Kitteln und ein leises Surren. Stellt
man sich so die Fertigungshallen eines Motorenherstellers vor? Klingt eher nach Zahnarztpraxis. Doch dieser sterile große Raum ist die Elektronik-Fertigung im mtu-Elektronikcenter. Hier klickt und klackert es leise in einem großen weißen Roboter. Ein Bestückungsautomat platziert kleine, gerade mal fünf Milligramm leichte Bauteile wie Kondensatoren, Widerstände oder Dioden auf den Mikrometer genau auf eine Leiterplatte. Je nach elektronischer Baugruppe sind es 1.500 bis 2.000 Teile, die über große Rollen auf die Leiterplatte gesetzt und dann festgelötet werden. Hier entstehen Verbindungen.

Es sind Verbindungen, die für den Lokführer, den Fahrer eines Muldenkippers oder den Schiffskapitän nicht sichtbar sind, ohne die sie ihr Fahrzeug aber nicht fahren könnten. Und nicht nur für sie sind sie wichtig. Auch der Lokbauer, der Hersteller des Muldenkippers oder die Werft haben viel von den vielen tausend Verbindungen, die mtu zwischen dem Motor und dem Fahrzeug bietet. „Ohne jetzt überheblich zu sein, aber kein anderer Hersteller macht es den Fahrzeugherstellern so leicht, den Motor in das Fahrzeug zu integrieren“, sagt Martin Gohlke, der die Entwicklung der Automationssysteme bei mtu leitet. „Wir sind nicht nur ein Motorenhersteller, sondern ein Hersteller von ganzen Antriebssystemen“, ergänzt er. Und diese Systeme bestehen aus einem Motor und dem dazugehörigen Automationssystem.

Ein kleiner Handgriff – komplexe Verbindungen


Ein Beispiel: Der Lokführer möchte seine Lok beschleunigen. Im Führerstand am
Fahrpult gibt er über den Fahrhebel ein Signal ab, das über die Fahrzeugsteuerung
und die mtu-Schnittstelle zum mtu-Automationssystem gelangt. Dieses empfängt
die Meldung, verarbeitet diese und gibt sie an den Motorregler weiter, der wiederum
das Signal an den Motor gibt. Eine Vielzahl von Verbindungen, die aber noch
erweitert werden müssen. Denn im Motor wird nun ein weiterer komplexer Vorgang
gestartet: Mehr Geschwindigkeit bedeutet für den Motor, dass mehr Kraftstoff
und gleichzeitig mehr Luft in den Zylinder gelangen muss. Außerdem muss
der Kraftstoffdruck erhöht werden, damit der Kraftstoff besser zerstäubt.

Powerline integriert alle Funktionen für die Überwachung, Steuerung und Regelung der Dieselantriebsanlage.

Da bei modernen mtu-Motoren immer auch eine bestimmte Menge Abgas dem Kraftstoff-Luft-Gemisch beigefügt wird, um die Stickoxidemissionen zu minimieren, berechnet
der Prozessor mithilfe der Daten von Sensoren im Ladeluftrohr zudem, wie viel Gas im Brennraum benötigt wird. Diese Information gibt er über einen Datenbus an die
Aktuatoren weiter, welche die elektrischen Signale des Prozessors in mechanische
Bewegung umsetzen. In diesem Fall bewegen sie die Luft- und Gasklappen und verlängern die Bestromung der Einspritzventile. Eine Vielzahl von Verbindungen, an
die der Lokführer sicherlich nicht denkt, wenn er die Lok beschleunigen möchte.

Ein Motor besteht aus Hunderten verschiedenen Teilen und Technologien.
Sie alle sind wichtig, doch entscheidend ist das Zusammenspiel aller beteiligten
Komponenten. Nicht umsonst werden daher das Motormanagement
und der Motorregler als das „Gehirn des Motors“ bezeichnet, das alle Technologien
miteinander verbindet.

mtu-Automation: Verbindung des Motors mit dem Fahrzeug


Doch die Verbindungen beschränken sich nicht nur auf den Motor. Genauso
wichtig ist die Kommunikation des Motors mit dem Fahrzeug. Damit diese perfekt funktioniert, entwickelt mtu für jede Anwendung – sei es für Lokomotiven, für Schiffe, Muldenkipper oder Stromaggregate – das passende Automationssystem. Für Lokomotiven gibt es das Automationssystem Powerline, für Schiffe Blue Vision NG oder Callosum. Motivline ist speziell für die Anforderungen von Muldenkippern entwickelt worden und Genoline für die Systemlösung für Stromaggregate.

Das Automationssystem Blue Vision New Generation steuert und überwacht die gesamte Antriebsanlage bei Schiffen.

Alle Systeme verbinden die Daten der Motorsteuerung mit denen der Fahrzeugsteuerung
und den peripheren Komponenten wie Kühler, Getriebe oder Propeller. Somit ermöglichen sie dem Hersteller, den Motor einfach und sicher in sein Fahrzeug zu integrieren. Dafür bekommt er von mtu im eigenen Haus entwickelte, vorgefertigte Komponenten, die er lediglich an seine Fahrzeugsteuerung anschließen muss. „Er muss uns eigentlich nur den Umfang des gewünschten Automationssystems nennen, die Länge der Kabel bestimmen und dann die mitgelieferten Antriebssystem-Stecker mit den Schnittstellen des Fahrzeuginterface verbinden“, so Michael Welte, Leiter System-Engineering bei mtu. Und wenn der Motor erst einmal läuft, bekommt der Betreiber alle Informationen, die er für einen bestmöglichen Betrieb der Motoren und des Antriebsystems in seiner Anlage braucht. Eine perfekte Verbindung.

Der Aufbau der verschiedenen Automationssysteme ist dabei ähnlich: Sie alle bestehen aus einer zentralen Motorsteuerungseinheit, die die Informationen des Motors sammelt und verarbeitet. Über Standardschnittstellen wie CANopen, Ethernet oder J1939 wird diese mit der Fahrzeugsteuerung verbunden. Ein weiteres Element ist das Diagnose- und Remonte-System DRS. Über dieses spielen mtu-Ingenieure Daten und Betriebsparameter wie Drehzahlbereiche, Alarmlimits oder Lüfterbetriebs-Kurven auf die Motorsteuerung. Später können Betreiber mithilfe dieser DRS-Schnittstelle auch die System und Anlagendaten des Motors oder der Antriebsanlage über eine Remote-Verbindung auslesen.

Eine durchdachte Verbindung im doppelten Sinne: Das Automationssystem verbindet den Motor mit dem Fahrzeug und den Menschen mit der Maschine.

Vereinfachte Lok-Anbindung dank Powerline

Ein Lokbauer kann die standardisierten und vereinheitlichten Schnittstellen des mtu-Automationssystems Powerline nutzen, um mtu-Motoren schneller in seine Lok zu installieren. Eine zur Datenubertragung standardisierte CANopen-Bus-Schnittstelle sorgt fur eine einfachere und schnelle Anbindung des Motors an die zentrale Lokomotiv-Steuerung. Auch externe Motorperipherie wie die Kuhlanlage, Kraftstoffaufbereitung oder Limit-Uberwachungen werden uber das mtu-Automationssystem mit dem Motor verbunden. Herzstuck des Systems ist die Power Automation Unit (PAU), die zentrale Schnittstelle zwischen der Lok-Steuerung und dem Motor. Diese bindet die unterschiedlichen Lok-Steuerungen einfach an den mtu-Dieselmotor an. Typische Signale zwischen der Lok-Steuerung und der PAU sind dann beispielsweise der Motorstart, der Motorstopp oder der Drehzahlsollwert. Aber auch wichtige Informationen wie aktuelle Drehzahl, Schmieroldruck oder die Kuhlmitteltemperatur werden von der PAU verarbeitet und dem Lokfuhrer uber Anzeigeinstrumente im Fuhrerpult angezeigt. Die PAU ist somit die zentrale Verbindung des Lokfuhrers zum Motor sowie das zentrale Element fur den Lokhersteller, das Antriebssystem Powerline einfach und schnell in die Lok zu integrieren. Eine abgeschlossene Zertifizierung des Powerline-Antriebssystems stellt eine weitere Art einer Verbindung her, namlich die zum TUV-Gutachter fur das Eisenbahnbundesamt, der einen zugelassenen Betrieb des mtu-Systems in der Lokomotive bescheinigt hat.

Verbindungen auf Schiffen: Blue Vision New Generation

Um den Kapitan eines Schiffes mit dem Motor in Verbindung zu halten, hat mtu neben anderen Marineantriebssystemen das Schiffsautomationssystem BlueVision New Generation entwickelt. Dieses ist in verschiedenen Ausbaustufen erhaltlich: in der einfachen, nicht klassifizierbaren Version BlueVision Basic New Generation sowie in der erweiterten, klassifizierbaren Version BlueVision Advanced New Generation.In einer spateren Ausbaustufe soll auch noch die umfangreichste Version Blue Vision Premium New Generation vorgestellt werden. Uber Standardschnittstellen wie J1939, CANopen oder Ethernet kann das Automationssystem an das vorhandene Schiffssystem angeschlossen werden. Herzstuck des Systems ist das Local Operating Panel (LOP). Ahnlich wie die PAU (Power Automation Unit) beim Bahnsystem Powerline hat dieser LOP die Aufgabe, die gesamte Antriebsanlage zu uberwachen und zu steuern.Ein Beispiel ist die Anfahrt des Schiffes: Der Kapitan stellt den Fahrhebel auf „50 Prozent“ und gibt damit das Signal zum Starten. Diese Information gelangt zum LOP, der daraufhin die Information an das Getriebe schickt, dass es einkuppeln soll. Ist dies geschehen, gibt es dem Motorregler Bescheid, dass er nun die Drehzahl erhohen soll. An die Displays im Fahrstand gibt der LOP dann weiter, auf welcher Drehzahl das Schiff beispielsweise fahrt, wie schnell es ist oder wie hoch die Motortemperatur ist. „Unser Automationssystem konnte sogar die Temperatur des Whirlpools auf einer Luxus-Yacht erfassen und dem Kapitan im Display anzeigen“, so Michael Welte, Leiter System-Engineering.

Aggregate – Genoline

Für Marinemotoren, die auf Schiffen als Genset mit einem angekoppelten Generator Bordstrom oder Diesel-Elektrische Antriebsleistung erzeugen, hat mtu das Automationssystem Genoline entwickelt.Genoline ubernimmt die Überwachung und Steuerung des Dieselmotors und die Überwachung des angekoppelten Generators. Auch hier wird als zentrales Herzstück des Systems das Local Operating Panel (LOP) verwendet, das uber eine standardisierte J1939- oder eine CANopen-Schnittstelle an das Fremdsystem des Betreibers angeschlossen werden kann. Das modulare System ermoglicht die optimale Anpassung des Dieselmotors an die vielfaltigen Betriebsbedingungen der Stromerzeugung. Entsteht beispielsweise eine zu hohe Wicklungstemperatur innerhalb des Generators, wird das Genset automatisch abgestellt, um den Generator zu schutzen. Es wird eine entsprechende Meldung erzeugt, welche auf dem Display des LOP ausgelesen werden kann, bzw. an die Fremdschnittstelle ubermittelt wird. Mit dem Projekt Genoline NG wird derzeit eine neue Generation der Automation speziell fur diese Anwendungen entwickelt. Hierbei wird das System beispielsweise auf die neueste mtu-Automationstechnologie MCS6, etwa die Kommunikation uber eine Ethernetanstelle einer CANopen-Schnittstelle, angepasst. Auch die Moglichkeit einer speziellen Variante, welche die hohen Anforderungen militärischer Auftrage erfüllt, sowie die Erweiterung der Kompatibilitat mit weiteren Motor-Baureihen werden hierbei berücksichtigt.
Der Inhalt der Beiträge entspricht dem Stand zum jeweiligen Erscheinungsdatum. Sie werden nicht aktualisiert. Weitergehende Entwicklungen sind deshalb nicht berücksichtigt.

Kontakt

Martin Gohlke
Tel.:
+49 7541 90 6200
+49(0)7541 906200
Fax:
+49(0)7541 90906200
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