STORY Kommerzielle Schifffahrt

Technologieumschwung: Wie fährt der Schlepper der Zukunft?

Veröffentlicht am 22 Dezember 2021 von Lucie Maluck, Bilder von Rolls-Royce Power Systems

mtu-Experten von Rolls-Royce zeigen, wie Schlepper nachhaltig betrieben werden können.
Wasserstoff, Methanol, synthetischer Diesel, Ammoniak – die Kraftstoffwelt der Zukunft ist bisher unübersichtlich. Klar ist nur so viel: Um die Vorgabe der IMO zu erfüllen, bis zum Jahr 2050 die CO2-Emissionen in der Schifffahrt um 50 Prozent gegenüber dem Jahr 2018 zu reduzieren, braucht es neue Kraftstoffe, und mit ihnen neue Antriebskonzepte. mtu-Experten von Rolls-Royce haben exemplarisch an einem Schlepper verschiedene Antriebskonzepte dargestellt.

Die Kraftstoffe der Zukunft werden in einem sogenannten Power-to-X-Prinzip hergestellt. Das Prinzip: Erneuerbare Energiequellen wie Wind oder Sonne liefern elektrischen Strom. Durch Elektrolyse wird Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Der nun gewonnene Wasserstoff lässt sich direkt als Kraftstoff nutzen oder durch Synthese in andere eKraftstoffe wie eMethan, eMethanol oder eDiesel umwandeln. Diese neuen Kraftstoffe können klimaneutral verbrannt werden, weil kein zusätzliches CO2 entsteht, wenn das für die Synthese benötigte CO2 aus der Luft oder aus Biomasse gewonnen wurde. Sie sind damit ein entscheidender Faktor, die Klimaziele der IMO einzuhalten.

Technologieumschwung braucht Dialog

Doch welcher Kraftstoff ist der richtige für die Schifffahrt? Und in welchem Antriebssystem wird er eingesetzt? „Darüber haben wir in den vergangenen Monaten intensiv mit unseren Kunden gesprochen und verschiedene Antriebskonzepte für einen Hafenschlepper entwickelt“, so Peter Gommeringer, Experte für Anwendungstechnik neuer Technologien bei Rolls-Royce Power Systems. Dieser imaginäre Schlepper ist 29 Meter lang, 13 Meter breit, benötigt 5.000 Kilowatt Antriebsleistung und 100 kVA Bordstrom.

Viel bewährtes: Schlepper mit Methanol-Antrieb

Eine derzeit von vielen Kunden favorisierte Lösung sind Methanol-Verbrennungsmotoren als Antrieb. Die Energiedichte dieses Kraftstoffs ist im Vergleich zu anderen nachhaltigen Kraftstoffen hoch und er lässt sich dank seines flüssigen Zustands bei Umgebungstemperaturen einfach lagern und tanken. Sogar die vorhandene Infrastruktur kann in vielen Fällen weiter genutzt werden. Die Methanol-Tanks können im Schiff flexibel angeordnet werden und erfordern deutlich geringere Sicherheitsmaßnahmen im Vergleich zu Wasserstoff oder Ammoniak. Neben den Sicherheitsaspekten und geringerer Komplexität sind die niedrigeren Investitionskosten ein weiterer Vorteil des Methanol-Tanksystems.

Innovativ: Batterien-Brennstoffzellen-Kombination

In einem weiteren Konzept wird der imaginäre Schlepper über eine Kombination aus Brennstoffzellen und Batterien angetrieben. Die dafür notwendige Energie wird in Wasserstoff-Brennstoffzellensystemen erzeugt und in Batterien zwischengespeichert. Für eine gute Energiedichte des Energieträgers sorgt die Verwendung von komprimiertem Wasserstoff, der in einem zylindrischen Tank unter Deck gespeichert wird. „Mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellen haben den großen Vorteil gegenüber Verbrennungsmotoren, dass sie keinerlei Schadstoffemissionen erzeugen, weder CO2 noch Stickoxide oder Partikel“, erläutert Benjamin Oszfolk, Experte für Brennstoffzellensysteme im PowerLab von Rolls-Royce Power Systems.

Sie können äußerst flexibel eingesetzt werden, und genau darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu Antriebssystemen mit Verbrennungsmotoren. Bei diesen wird die notwendige Antriebsleistung allein von den Motoren erzeugt, deren Leistung sich aus dem maximalen Leistungsbedarf des Schleppers ergibt. Brennstoffzellensysteme, die mit Batterien kombiniert werden, bieten neue Möglichkeiten: Die Energieerzeugung kann immer an den augenblicklichen Leistungsbedarf angepasst und damit Kraftstoff gespart werden: Immer dann, wenn keine Maximalkraft oder -geschwindigkeit gefragt ist, wird lediglich die Anzahl der Brennstoffzellen zugeschaltet, die benötigt wird.   Ist Maximalleistung erforderlich, weil der Schlepper gerade besonders schnell fahren oder ziehen muss, werden alle Brennstoffzellen zugeschalten und zudem noch die in Batterien gespeicherte Energie genutzt.   „Unsere Experten können für jeden Einsatzzweck die effizienteste Kombination aus Brennstoffzellen und Batterien errechnen und so maßgeschneiderte Antriebssystem-Lösungen liefern“, so Oszfolk.  Experten von Rolls-Royce Power Systems können die ideale Kombination aus Brennstoffzellen und Batterien errechnen, um einen Schlepper möglichst effizient zu betreiben.

Experten von Rolls-Royce Power Systems können die ideale Kombination aus Brennstoffzellen und Batterien errechnen, um einen Schlepper möglichst effizient zu betreiben.

Brennstoffzellen mit Methanol

Doch auch bei den Brennstoffzellen denken die Experten von Rolls-Royce Power Systems über die Verwendung von Methanol nach. Mithilfe eines Reformers kann aus Methanol Wasserstoff erzeugt werden, der dann in den Brennstoffzellen zur Stromerzeugung dient. Der große Vorteil dieses Konzepts: Methanol hat eine wesentlich höhere Energiedichte als Wasserstoff, daher können die Kraftstofftanks kleiner dimensioniert werden.  

Alternative Energieträger für weitere Konzepte

Auch ein rein elektrisch angetriebener Schlepper, bei dem die Energie ausschließlich in Batterien gespeichert und nicht wie bei Brenstoffzellensystemen an Bord erzeugt wird, wird unter den Experten diskutiert. „Solch ein rein elektrisches System punktet vor allem mit niedrigen Betriebskosten“, so Gommeringer. Der große Nachteil dagegen sei die geringe Energiedichte der Batterien, die zu sehr geringen Reichweiten führe. „Elektrisch angetriebene Hafenschlepper sind sicherlich eine Option, weitere Strecken kann man mit ihnen aber nicht zurücklegen“, so der Experte.

Wir müssen für alle den optimalen Mix aus Reichweite, Betrieb- und Anschaffungskosten und technischer Machbarkeit finden.

Peter Gommeringer, Experte für Anwendungstechnik neuer Technologien bei Rolls-Royce Power Systems

Diese und weitere Konzepte wollen mtu-Experten von Rolls-Royce Power Systems in der nächsten Zeit mit Betreibern, Werften und Schiffseignern konkretisieren, diskutieren und herausfinden, welche Konzepte die besten sind. Ganz konkret arbeiten sie bereits mit dem bekannten Schiffsingenieurbüro Robert Allan und der Reederei Svitzer an einer Studie. Weitere Studien sollen folgen. „Wir müssen für alle den optimalen Mix aus Reichweite, Betrieb- und Anschaffungskosten und technischer Machbarkeit finden“, resümiert Gommeringer und fügt an, wie sehr er sich darauf freut. „Wir haben gewaltige Herausforderungen vor uns, doch gleichzeitig haben wir die Möglichkeit, die maritime Energiewende voranzutreiben und die Schifffahrt mit innovativen Antriebskonzepten nachhaltig zu verändern“, so der Experte.  

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