STORY Kommerzielle Schifffahrt

Spezialauftrag für einen Service-Nomaden

Veröffentlicht am 15 April 2024 von Lucie Maluck

In nur 4 ½ Wochen hat Melik Meddur mit seinem Team die drei 8000er-mtu-Motoren des Trimarans HSC Condor Liberation der britischen Reederei Condor Ferries grundüberholt – insitu, also vor Ort im Motorraum. Das ist nicht sein erster Auftrag dieser Art. Wie lebt und arbeitet es sich als Service-Nomade bei Rolls-Royce?
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Der Job von Melik Meddur ist wahrlich etwas Besonderes. Zuhause ist er am südlichen Ende von Deutschland am Bodensee. Doch unterwegs ist er auf der ganzen Welt. Seine zweite Heimat sind die Maschinenräume von Megayachten, Fregatten, Schnellfähren oder Lokomotiven. Melik Meddur ist Service-Obermonteur im Außendienst bei Rolls-Royce. Anders gesagt: Er ist moderner Arbeitsnomade, im Einsatz immer irgendwo zwischen Sydney, Dubai, China und Kalifornien. Zuletzt hat er in Falmouth am südwestlichen Zipfel von Großbritannien drei mtu-8000er-Motoren auf der Schnellfähre HSC Condor Liberation grundüberholt.  


Ja, es gibt sie, diese Einsätze, bei denen Melik Meddur mit dem Privatjet auf die Malediven eingeflogen wird, um die Yacht eines dort gestrandeten Multi-Milliardärs wieder zum Laufen zu bringen. Das sind auch die Einsätze, von denen er in 40 Jahren noch seinen Enkelkindern erzählen wird. Doch zur Wahrheit gehört auch: Den Großteil seiner Arbeitszeit verbringt Melik Meddur nicht an Deck von Yachten, sondern in den Maschinenräumen unter Deck – so wie kürzlich in Großbritannien. Hier hat er die große Wartung der Schnellfähre HSC Condor Liberation geleitet. Drei Motoren der mtu-Baureihe 8000 mussten dort im Maschinenraum der Fähre grundüberholt werden. Und das ist harte Arbeit. Denn die 8000er sind mit 9.100 Kilowatt Leistung nicht nur die stärksten, sondern auch die größten und schwersten mtu-Motoren bei Rolls-Royce. Sie sind über sieben Meter lang, fast zwei Meter breit und wiegen über 40 Tonnen.  

Beeindruckende Zahlen: Ein 20-Zylinder-mtu-Motor der Baureihe 8000 ist 7,4 Meter lang, 1,9 Meter breit, 3,3 Meter hoch und wiegt 44 Tonnen. Seine Leistung: 9.100 Kilowatt (ca. 12.000 PS).

Bereits ein Jahr vor der geplanten Grundüberholung der Motoren begann die Arbeit von Melik Meddur und seiner Kollegen. Während der Trimaran aus dem Hause Austal noch regelmäßig mit einer Höchstgeschwindigkeit von 39 Knoten zwischen dem südenglischen Poole und den Kanalinseln pendelte, traf sich Melik Meddur erstmals mit dem Kunden. Die Werft für die Grundüberholung musste ausgesucht und ein Zeitfenster besprochen werden. Dieses war kurz, denn der High-Speed- Trimaran sollte nur so kurz wie unbedingt notwendig ausfallen. „Das ist ja der große Vorteil der Insitu-Wartung: Die Motoren bleiben an Bord, das geht schneller, als wenn wir sie ausbauen und in unseren Werken grundüberholen würden“, so Meddur. Für ihn und seine Kollegen im Back-Office bedeutet das aber, in der Vorbereitung schon alles zu bedenken. Über 10.000 Ersatzteile mussten bestellt werden. Wenn nur eins fehlte, verzögerte sich die gesamte Überholung.  

Der neue 102 Meter lange Austal-Trimaran ist seit Ende März 2015 für den britischen Schiffsbetreiber Condor Ferries im Einsatz. Die Condor Liberation verbessert den Service zwischen dem britischen Festland und den Inseln Guernsey und Jersey im Ärmelkanal vor der französischen Küste.

10.000 Einzelteile für die Grundüberholung von drei Motoren

„Besonders herausfordernd war, dass der die Werft weit weg von jeglicher Zivilisation in Falmouth am südwestlichen Zipfel Großbritanniens lag. Wir mussten bei der Planung wirklich alles berücksichtigen, denn das nächste Lager war weit weg“, berichtet Meddur. Am Tag X, als die ersten sechs Mechaniker eintrafen, war die Stimmung entsprechend angespannt. Zusammen mit seinem Kernteam bereitete Meddur die Wartung vor: Dafür wurden die 10.000 Einzelteile sortiert und den drei Motoren zugeordnet, so dass während der Wartung dann auch alles „flutscht“.  


Als die 102 Meter lange Fähre dann auf’s Trockendock kam, ging die Arbeit so richtig los. 37 Monteure waren da vor Ort und arbeiteten Hand in Hand – unter der Leitung von Melik Meddur. Im Unterschied zu den Monteuren, die in den Rolls-Royce-Produktionswerken Motoren zusammenbauen und sich auf Baugruppen spezialisieren, beherrschen Servicemonteure einen Motor als Gesamtsystem. Sie müssen Teile demontieren, befunden, tauschen oder aufarbeiten, wieder zusammenbauen und den Motor testen bis hin zur Übergabe an den Kunden. Das komplexe Zusammenspiel von Mechanik und Elektronik ist ihnen ebenso vertraut wie das Innenleben der verschiedenen Baugruppen bis hin zu den Luft-, Kühl-, Öl- und Kraftstoffkreisläufen. „Draußen im Außendienst lernt man am meisten. Jeder Auftrag ist anders und fordert oft den Einzelnen wie auch das ganze Team. Das schweißt zusammen“, so Meddur.  


Seine wichtigste Aufgabe als Team-Kapitän: Chaos vermeiden. Er hat vorab drei getrennte Werkstätten eingerichtet und dort die jeweiligen Ersatzteile platziert. So konnten die Monteure im Maschinenraum die drei je 44 Tonnen schweren Motoren zeitgleich zerlegen und dann Schritt für Schritt wieder zusammenbauen. Viele Teile wie Wasserrohre, Schrauben oder auch Gehäuse werden ausgebaut, gereinigt, neu lackiert und wieder eingebaut. Zylinderköpfe, Kolben, Wasserpumpen oder Ladeluftkühler dagegen werden neu eingebaut. „Die sind nach 18.000 Stunden extremer Beanspruchung einfach durch“, so Meddur.  

Melik Meddur ist Service-Obermonteur im Außendienst bei Rolls-Royce Power Systems und in den Motorräumen von Fähren dieser Welt zu Hause.

Jeder Einsatz ist anders

4 ½ Wochen lang arbeitete das Team Hand in Hand, sechs Tage die Woche, neun Stunden am Tag. Alles   lief wie am Schnürchen. „Das ist nicht selbstverständlich“, so Meddur.   Jeder Tag birgt Überraschungen. Meddur: „Wir können zwar alles genau planen, aber wie es im Motor nach 18.000 Betriebsstunden aussieht, das liegt auch an den Einsatzbedingungen wie Klima, Einsatzdauer, der Fahrweise des Kapitäns oder der maximalen Beschleunigungs- und Leistungswerten.“ Deshalb werden Verschleißteile unterschiedlich stark belastet. Nicht immer ist dann klar, ob ein Teil getauscht oder vor Ort aufgearbeitet werden kann. Schleifspuren oder andere Oberflächenveränderungen werden in Zweifelsfällen im unternehmenseigenen Labor in Friedrichshafen analysiert und von Entwicklungsingenieuren beurteilt.

  Hinzu kommt die Zusammenarbeit mit dem Kunden vor Ort. Meddur hielt täglich Kontakt mit dem technischen Manager. „Wir müssen genau wissen, welche Standards unsere Kunden und die Behörden vorgeben – und umgekehrt muss der Kunde unsere Abläufe kennen.“   Abläufe, die in Großbritannien bis zur Perfektion klappten. Der Trimaran konnte sogar früher als geplant dem Kunden übergeben werden.  

Abschied von der Familie immer schwerer

Der reibungslose Ablauf bedeutete auch, dass Melik Meddur früher als geplant wieder nach Hause an den Bodensee konnte. Dort wartete nicht nur seine Frau, sondern auch zwei Kinder auf ihn. „Bald werden es drei sein“, erzählt Meddur stolz. Dann wird der Abschied von der Familie noch härter werden. Der Obermonteur liebt seinen Beruf - und genauso seine Familie. Er sagt offen: „Einfach ist das nicht, beides miteinander zu verbinden.“ Hinzu komme, dass ihm der Job sowohl psychisch als auch physisch viel abverlange. Alle acht Wochen lebt er in einer anderen Zeitzone, bekommt anderes Essen und muss sich mit einem anderen Klima arrangieren. „Ich bin schon bei 32 Grad ins Flugzeug gestiegen und bei minus acht Grad wieder ausgestiegen“, erinnert er sich und fügt schmunzelnd hinzu: „Und dann war auch der Koffer mit meiner einzigen Jacke, die ich dabeihatte, nicht an Bord.“

Der Job von Melik Meddur ist wahrlich etwas Besonderes. Immer im Dienst an mtu-Motoren für Rolls-Royce-Kunden auf der ganzen Welt. Sein nächster Auftrag wird ihn in die Karibik führen. Es gibt Schlimmeres als dem grauen deutschen Winter eine Zeit lang zu entfliehen.  

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