Sechs Jahre ist es her, dass sich die Menschheit auf der UN-Klimakonferenz von Paris ein großes Ziel gesetzt hat: Sie will die von ihr selbst verursachte Erwärmung der Erde auf deutlich unter 2 Grad, am besten auf 1,5 Grad begrenzen. Professor Hans-Otto-Pörtner, Mitglied des Weltklimarats und Meeresbiologe am Alfred-Wegener-Institut, fordert auf dem virtuellen mtu-Marine-Summit eindringlich die Einhaltung dieser Ziele. Auf dem mtu-Marine-Summit diskutieren Experten über die Zukunft der Schifffahrt. „Die gute Nachricht ist: Wir können die 1,5 Grad noch erreichen“, sagt Pörtner. Allerdings, und das ist seine wichtigste Botschaft, sind dafür schnelle und weitreichende Veränderungen notwendig – in der Schifffahrt genauso wie in der Industrie, im Transport oder in der Luftfahrt.
Professor Pörtner, die 1,5 Grad des Pariser Abkommens sind mittlerweile in aller Munde. Wie viel Luft haben wir denn noch, bis wir diese Latte reißen?
Um dieses Limit von 1,5 Grad einzuhalten, ist noch etwa ein Spielraum von einem knappen halben Grad. Um 1,1 Grad haben wir die Erde schon erwärmt, seit wir vor mehr als 150 Jahren mit der industriellen Revolution angefangen haben, massenhaft fossile Energieträger zu verbrennen. Aber, und das ist eine gute und ganz wichtige Nachricht: Aus naturwissenschaftlicher und technischer Sicht ist dieses Ziel noch zu schaffen.
Was müssen wir machen, um dieses Ziel zu erreichen?
Wir müssen schnell und weitreichend handeln: Bis 2030 müssen wir den Ausstoß von Treibhausgasen global um 45 % senken – verglichen mit dem Level von 2010. 2050 sollten wir dann bei „Netto-Null“ sein – so wie es im Pariser Abkommen vereinbart wurde.
Was genau bedeutet „Netto-Null“?
Das bedeutet, dass eigentlich gar keine Emissionen mehr in die Atmosphäre gelangen dürfen. Das werden wir aber nicht schaffen, da es immer Emissionen gibt, die sich nicht vermeiden lassen – beispielsweise aus der Landwirtschaft. Diese müssen wir aber durch CO2-Entfernung aus der Atmosphäre wieder ausgleichen, so dass die Klimabilanz netto wieder bei Null ist. Ab 2050 brauchen wir für die Klimastabilisierung bei 1.5 Grad sogar Netto-Negativemissionen, um Verzögerungen in der Emissionsreduktion auszugleichen.
Sie haben im Weltklimarat in einem Sonderbericht die Auswirkungen dargelegt, die ein Reißen dieses Ziels hätte. Welche Auswirkungen hätte dies denn auf die Menschen?
Bereits jetzt, bei einem Plus von etwa einem Grad, sind die Folgen des Klimawandels zu spüren. Der Meeresspiegel steigt, Extremwetterereignisse häufen sich und in der Arktis schmelzen die Gletscher. Schon heute sehen wir verheerende Waldbrände in Australien oder in den USA. Hitzewellen kosten jedes Jahr viele Menschenleben, nicht nur in Afrika, auch in Europa. Jeder zusätzliche Anstieg macht diese Folgen dramatischer. Übersteigt die Erwärmung die 1,5 Grad, erhöht sich das Risiko von langanhaltenden oder irreversiblen Veränderungen, wie dem Verlust einiger Ökosysteme, oder das Risiko eines nicht mehr bremsbaren Klimawandels.