Warum Methanol?
Der 34 Jahre alte Maschinenbauingenieur Mathias Müller zählt die Vorteile des Konzeptes auf, dessen Entwicklung ab Herbst 2022 auch im Projekt „MeOHmare“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert wird:
- Grünes Methanol‘, sogenanntes E-Methanol, weist die Vorzüge eines flüssigen, energiedichten Kraftstoffs für mobile Einsatzfelder auf. Außerdem geht Müller davon aus, dass die Herstellung perspektivisch wirtschaftlich konkurrenzfähig und vorteilhaft gegenüber anderen E-Fuels sein wird.
- Methanol als verbreitetes Chemieprodukt wird weltweit gehandelt und transportiert und ist prinzipiell global verfügbar. Die erforderlichen Modifikationen vorhandener Infrastruktur fallen geringer aus als für andere alternative gasförmige Kraftstoffe.
Diese Punkte geben E-Methanol in den genannten marinen Anwendungsbereichen einen Vorzug gegenüber rein elektrischen Antrieben und mit Wasserstoff betriebenen Energiewandlern sowie gegenüber Lösungen mit anderen E-Fuels.
Diesel-, Gas- und Methanolmotor: Was bleibt, was ändert sich?
Der mtu-Methanolmotor wird nach dem Otto-Verfahren arbeiten, das bei Motoren der Marke bisher vor allem in Gasmotoren zum Einsatz kommt. Umfassende Erfahrungen mit flüssigem Kraftstoff hat Rolls-Royce Power Systems vor allem durch seine Dieselmotoren. Von Diesel unterscheidet sich Methanol (chemische Formel: CH₄O) aber grundlegend in vielen chemischen und physikalischen Parametern. Das reicht vom spezifischen Energiegehalt, der Dichte, Verdampfungseigenschaften und der Zündenergie bis zur Viskosität (Maß der Zähflüssigkeit) und dem Schmierverhalten.
„Die nötigen Veränderungen beim Methanol-Motor gegenüber bestehenden Motoren sind signifikant,“ erklärt Müller: „Das gilt insbesondere für viele Subsysteme von der Einspritzung und Aufladung über die gesamte Zylinder-Power-Unit bis zu den Schmierkreisläufen und der Motorsteuerung.“ Rolls-Royce kann auf Erfahrungen aus der Entwicklung des mobilen Gasmotors zurückgreifen und damit möglichst frühzeitig marktfähige Konzepte darstellen. So gibt es Überschneidungen hinsichtlich der Sicherheitskonzepte und der dafür erforderlichen Modifikationen bei der Integration des Motors in das Schiff. Bei Erdgas und Methanol handelt sich um Kraftstoffe mit niedrigem Flammpunkt (Low-Flashpoint-Fuels), für die besondere Sicherheitsvorkehrungen auf Schiffen umgesetzt werden müssen.
Eine „Silver Bullet“ gibt es nicht
Der Entwicklungsaufwand werde sich auf jeden Fall lohnen, da ist sich Denise Kurtulus, Vice President Global Marine bei Rolls-Royce Power Systems, sicher. Denn angesichts der großen Vielfalt der Schifffahrts-Anwendungen werde es nicht eine einzige Lösung für umweltfreundliche Schiffsantriebe der Zukunft geben. „Eine solche ‚silver bullet‘ existiert nicht,“ betont sie. Stattdessen brauche es verschiedene Lösungen auf Basis erneuerbarer Energien.
Dass E-Methanol als CO₂-neutraler Treibstoff für Rolls-Royce bei diesem Wettlauf der Innovationen weit vorn steht, liegt auf der Hand. Denn es erfüllt die Voraussetzungen eines E-Fuels, weil es unter Zuhilfenahme von Wind- oder Sonnenenergie aus Wasserstoff und CO2 produziert wird. Für die Speicherung an Bord braucht es deutlich weniger Raum als bei gleicher Reichweite für Wasserstoff bei Brennstoffzellenantrieben oder für Batterien benötigt würde. Zudem ist Methanol weniger toxisch als andere E-Fuels, beispielsweise Ammoniak. Die Herstellungskosten dürften durch Skaleneffekte außerdem schneller sinken als jene von E-Diesel.
Bestehende Methanol-Infrastruktur nutzen
Ein wichtiger Pluspunkt für das Hochfahren der neuen Technologie wird die Fähigkeit sein, auf bestehende Infrastruktur für Methanol aufzusetzen, sagt Müller: „Der Umgang mit herkömmlich erzeugtem Methanol als chemischem Grundstoff ist heute in Häfen und anderen Bereichen etabliert, die Umstellung auf E-Methanol als Kraftstoff stellt deshalb vergleichsweise geringere Herausforderungen dar, als bei anderen E-Fuels.“ Damit entschärft sich jene „Henne-Ei-Diskussion“, die es immer wieder bei der Einführung neuer Antriebstechnologien gibt: Muss erst die Infrastruktur in der Fläche aufgebaut werden, oder braucht es erst eine relevante Masse an Verbrauchern für den neuen Energieträger? Bekannt ist diese Fragestellung sowohl von batterieelektrischen Automobilen wie von der wasserstoffbasierten Brennstoffzellentechnik.
Methanolmotor und Brennstoffzellen im Duett
In der breit aufgestellten Net-Zero-Strategie von Rolls-Royce Power Systems ist der schnelllaufende, mit E-Methanol betriebene Motor eine von vielen Lösungen. Doch Verbrennungsmotoren werden nicht wie bisher die einzigen Energiewandler großer Schiffe werden. Auch Brennstoffzellen werden zum Einsatz kommen. Denn mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellen erzeugen keinerlei schädliche Emissionen, weder CO2 noch Stickoxide oder Partikel und haben einen sehr hohen Wirkungsgrad. „Jede dieser Entwicklungen hat ihre eigenen Stärken, die für den jeweiligen Kunden besonders wichtig sind“, sagt Denise Kurtulus. E-Methanol kann künftig über den neuen Motor für die kommerzielle Schifffahrt hinaus in weiteren Anwendungen eine Rolle spielen. Der Kraftstoff kann auch nach dem Dieselverfahren in Verbrennungsmotoren genutzt werden oder mithilfe eines Reformers zur Produktion von elektrischer Energie in Brennstoffzellen. Es ist auch diese Vielseitigkeit, die E-Methanol zu einem der wichtigsten Kraftstoffe der Zukunft machen könnte.