STORY Kommerzielle Schifffahrt

Grünes Methanol für mtu-Schiffsmotoren

Veröffentlicht am 20 Januar 2025 von Lucie Maluck, Bilder von Rolls-Royce Power Systems

Was macht Methanol zu einem so interessanten Kraftstoff für die Schifffahrt? Und welche Herausforderungen warten auf die Rolls-Royce-Ingenieure, die mtu-Motoren für diesen Kraftstoff entwickeln?
Nachhaltige mtu-Lösungen für eine grüne Zukunft
Verbrennungsmotoren sind ein unverzichtbarer Begleiter der Energiewende. Daher entwickeln wir sie weiter und machen sie fit für den klimaneutralen Betrieb.
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Es scheint eine Herkulesaufgabe: Die Schifffahrt – eine Branche, die im Jahr 2022 180 Millionen Tonnen Öl-Äquivalente fossile Kraftstoff verbrannte – will bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden. Ein Schlüssel dazu könnte in einem simplen, farblosen Alkohol liegen: Methanol. Es ist sauber, effizient und kann Schiffe – wenn es mit grünem Strom erzeugt wird – klimaneutral antreiben. Was macht Methanol zu einer so interessanten Alternative für die Schifffahrt? Und welche Herausforderungen warten auf die Rolls-Royce-Ingenieure, die mtu-Motoren für diesen Kraftstoff entwickeln?  

„Grünes Methanol hat das Potenzial, die Energiewende bei Schiffsantrieben zu prägen“, ist sich Denise Kurtulus sicher. Sie leitet das Geschäft mit mtu-Marineantrieben bei der Division Power Systems von Rolls-Royce und ist schon lange überzeugt davon, dass Methanol ein echter Game Changer werden kann. Warum?  

  • Nachhaltigkeit: Grünes Methanol, dass durch die Synthese aus CO2 und grünem Wasserstoff hergestellt wird, kann Schiffe klimaneutral antreiben. Zwar wird bei der Verbrennung von Methanol, egal ob es grün ist oder nicht, CO2 freigesetzt. Bei grünem Methanol ist das CO2 der Luft aber zuvor bei der Herstellung entnommen worden. Neben dem e-Methanol das aus Synthese hergestellt wird, gilt dies auch für Bio-Methanol, welches aus Biomasse Hergestellt werden kann.   Durch den Kohlenstoffkreislauf bleibt der CO2 Gehalt der Atmosphäre in Balance. Außerdem verbrennt Methanol sauberer als herkömmliche, fossile Kraftstoffe und erzeugt daher weniger Schwefeloxide, Stickoxide und Rußpartikel (Feinstaub).  
  • Tankvolumen: Methanol hat nur etwa 50 Prozent der Energierdichte von Diesel. Das bedeutet, dass das Tankvolumen doppelt so groß sein muss wie bei konventionellen Dieselmotoren. Allerdings ist das noch die beste Alternative unter den „grünen“ Kraftstoffen. Das Volumen von Ammoniak ist vergleichbar mit dem von Methanol, das von Wasserstoff ist wesentlich höher.
  • Einfache Lagerung und Handhabung: Methanol muss nicht wie LNG gekühlt werden, da es bei Umgebungstemperatur und -druck flüssig ist. Das vereinfacht die Lagerung und reduziert Kosten für spezielle Tanks und Ausrüstung. Im Vergleich zu Wasserstoff oder LNG ist Methanol einfacher zu handhaben und erfordert weniger aufwändige Infrastruktur.
  • Sicherheit: Methanol ist biologisch abbaubar und löst sich in Wasser auf, wodurch Umweltschäden bei einem Unfall geringer sind als bei fossilen Brennstoffen oder beispielsweise Ammoniak. Methanol ist zudem weniger explosiv als LNG oder Wasserstoff.  
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Rolls-Royce-Ingenieure testen bereits die Methanolverbrennung mit einem Technologiedemonstrator auf dem Prüfstand. Sie arbeiten parallel an Konzepten für Single-Fuel-Methanolmotoren, die ausschließlich Methanol im Otto-Verfahren verbrennen und an Dual-Fuel-Motoren. Das sind Selbstzünder, die sowohl mit Diesel als auch mit Methanol betrieben werden können. Die Entwicklung des Single-Fuel-Methanolmotors geschieht im Rahmen des öffentlich geförderten Projekts MeOHmare.  

Im Jahr 2025 soll es erste Versuche mit kompletten mtu-Methanol Motoren auf dem Prüfstand geben.

Deshalb ist die Entwicklung von Methanolmotoren eine Herausforderung

„In wenigen Monaten werden wir einen ersten mtu-Methanolmotor auf dem Prüfstand testen“, erläutert Dr. Johannes Kech, der die Entwicklung von mtu-Methanolmotoren bei Rolls-Royce leitet. Den Moment, wenn der erste Motor läuft und die Entwickler sehen können, wie das Brennverfahren sich in einem Vollmotor bewährt und mit der speziell entwickelten Turboaufladung interagiert , kann er schon heute kaum erwarten. Denn zusammen mit seinem Team hat er in den vergangenen Monaten einige Herausforderungen lösen müssen. Genauso viele hat er noch vor sich.  

„Einen Methanolmotor zu entwickeln, ist nicht trivial“, erklärt Kech. Zwei Themen beschäftigen ihn besonders, wenn es um einen reinen Single-Fuel-Methanolmotor geht: die Einspritzung und die Gemischbildung. „Es gibt auf dem Markt für unsere Leistungsklasse schlicht noch keine Injektoren für Methnolmotoren, die eine ausreichende Lebensdauer haben“, erklärt Kech.    

Kompliziert sei auch, ein homogenes Kraftstoff-Luftgemisch im Brennraum zu haben, das sauber verbrennen kann. Denn wegen der geringeren Schmierfähigkeit von Methanol kann der Kraftstoff nicht wie Diesel mit 2000 bar und mehr Druck in den Brennraum geschossen werden. Je niedriger allerdings der Druck ist, desto schwieriger ist es, ein homogenes Gemisch im Brennraum zu erzeugen. „Vereinfacht gesagt müssen überall im Brennraum möglichst feine Methanol-Tropfen vorhanden sein, so dass diese schnell verdampfen, um so ein homogenes und zündfähiges Gemisch an der Zündkerze sicherzustellen“, so Kech.

Doch der Aufwand wird sich lohnen, davon sind sowohl Johannes Kech als auch Denise Kurtulus überzeugt. Denn mit grünem Methanol können Schiffe nicht nur klimaneutral angetrieben werden. Bei der Verbrennung von Methanol im Motor entstehen auch sehr viel weniger Stickoxide und Partikel als beim Betrieb von Motoren mit Dieselkraftstoff. Ein aufwändiges Abgasnachbehandlungssystem wie bei Dieselmotoren wird nicht notwendig sein. Der eventuell entstehende Kohlenwasserstoff durch unverbrannten oder unvollständig verbrannten Kraftstoff lässt sich über einen Katalysator konvertieren. „In der Schifffahrt führt kein Weg an Methanol vorbei“, sagt Kurtulus.  

Nicht trivial, aber den Aufwand wert: Bei der Entwicklung von Methanolmotoren sind die Themen Einspritzung und Gemischbildung die größten Herausforderungen.

Methanol-Dual-Fuel-Motoren als Brückentechnologie

„Langfristig sehen wir reine Methanol-Single-Fuel-Motoren als die beste Lösung an“, sagt sie. Gleichzeitig sieht sie aber die Sorge vieler Kunden, dass grünes Methanol auch mittelfristig nicht flächendeckend verfügbar sein wird. Aus diesem Grund ist auch der Dual-Fuel-Motor in das Blickfeld der Rolls-Royce-Ingenieure geraten. „Dual-Fuel-Motoren sehen wir vor allem als Brückentechnologie, bis grünes Methanol flächendeckend verfügbar ist“, so Kurtulus. „Wie lange diese Brücke ist, ist jedoch je nach Anwendung verschieden“, so die Expertin. Yachten, die auf der ganzen Welt Häfen anfahren, werden sicher länger auf den flexiblen Dual-Fuel-Antrieb setzen als die Betreiber von Fähren oder Schleppern, die ihre Häfen und damit auch ihre Kraftstoffinfrastruktur kennen.  

Doch auch die Entwicklung eines Dual-Fuel-Methanolmotors sei nicht einfach. Hier befindet sich Kech mit seinen Kollegen zwar eher in der Komfortzone – immerhin geht es auch hier um selbstzündende Motoren, bei denen Diesel in den Brennraum eingespritzt wird.   Doch hier gehe es darum, mit möglichst wenig Diesel auszukommen. Und dazu kommt, dass mit den bestehenden Diesel-Injektoren jetzt wesentlich kleinere Mengen Diesel eingespritzt werden müsse. Gleichzeitig darf der Brennraum des Motors nicht auf die Methanolverbrennung hin optimiert werden, da der Motor auch weiterhin im reinen Dieselbetrieb funktionieren muss. Daher müssen Kompromisse gemacht werden, welche die Substitutionsrate und oder den Wirkungsgrad des Motors einschränken.

Eine „Silver Bullet“ gibt es nicht

Doch der Entwicklungsaufwand ist wichtig, da sind sich sowohl Denise Kurtulus als auch Johannes Kech sicher. Beide sind überzeugt, dass es in Zukunft nicht nur eine einzige Lösung für umweltfreundliche Schiffsantriebe geben wird. „Eine solche ‚silver bullet‘ existiert nicht,“ betonen sie. Stattdessen brauche es verschiedene Lösungen auf Basis erneuerbarer Energien. Eine dieser Lösungen werden mtu-Methanolomotoren sein. Und mit dieser Überzeugung sind sie nicht allein. Die dänische Reederei Maersk setzt schon heute stark auf Methanol. Der Konzern hat nicht nur bereits das erste methanolbetriebene Containerschiff in Betrieb genommen, sondern hat zudem bereits über 20 weitere solcher Schiffe bestellt. Und mit der erhöhten Nachfrage steigt auch die Produktion von grünem Methanol.  

Weltweite Produktion von e-Methanol

Im süddänischen Kassø ist zu Jahresbeginn 2025 die weltweit erste kommerzielle Anlage zur Herstellung von grünem E-Methanol ihre Produktion aufgenommen. Hier sollen pro Jahr 35.000 Tonnen e-Methanol entstehen.   Der grüne Strom dafür kommt aus einem benachbarten, 350 Hektar großen Solarpark und aus einem dänischen Windpark. Das für die grüne Methanol-Erzeugung notwendige CO2 wird derweil von einer Biogasanlage bei Tønder geliefert. Dort wird das Rohbiogas in Biomethan, welches ins Gasnetz eingespeist wird, und in CO2 getrennt.

Schon seit über zwei Jahren wird Anyang in China im kommerziellen Maßstab CO2-Methanol produziert. Hier entstehen pro Jahr bis zu 110.000 Tonnen flüssiges Methanol aus Kohlendioxid, das aus den bestehenden Emissionen der Kalkproduktion zurückgewonnen wird. Der Wasserstoff wird aus dem Gas der Koksöfen gewonnen.

In Deutschland, genauer gesagt in einem Chemiepark in Leuna, wird seit November 2023 in einer Pilotanlage grünes Methanol hergestellt. Diese Anlage ist zwar kleiner als die in Dänemark und China, allerdings gilt das Produktionsverfahren als besonders kosteneffizient. Es basiert auf einer neuartigen, dreidimensional skalierbaren, homogenen Katalyse, die effizienter und unter einfacheren Bedingungen arbeitet als herkömmliche Verfahren.  

„Wenn es so weit ist, werden wir bereit sein“

„Bis es auf der Welt genügen grünes Methanol gibt, um komplette Schiffsflotten auf Methanolantrieb umzustellen, wird es noch dauern“, so Kurtulus.   Experten gehen davon aus, dass „Doch wenn es so weit ist, werden wir bereit sein“, so die Marine-Expertin.     

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