STORY Power Generation

Tabacco Tradizionale

Veröffentlicht am 11 August 2014 von Wolfgang Boller, Bilder von Robert Hack

Bei italienischen Zigarrenhersteller Sigaro Toscano kommt das richtige Klima für den Tabak von mtu Onsite Energy.
Cava de' Tirreni, Italy

Zum Wohlfühlen gehört nicht zuletzt das richtige Klima. Genussmenschen wissen: Damit etwas zum Genießen ein Genuss wird, muss das Klima stimmen, in dem es wächst und hergestellt wird. Bei der Manifatture Sigaro Toscano im süditalienischen Cava de' Tirreni kommt das richtige Klima für Mensch und Tabak von mtu Onsite Energy.

Der Komponist Giacomo Puccini liebte sie ebenso wie der italienische Einigungskämpfer Giuseppe Garibaldi und die Filmschauspieler Marcello Mastroianni und Bud Spencer. Sie gehört zum Klischee von italienischem Stil und Lifestyle: die italienische Zigarre, der Toscano. Nicht nur beim Lebensgefühl, bei den kulinarischen Genüssen und beim Design gilt die italienische Variante als die etwas andere, die besondere. Bei den Zigarren italienischer Machart ist das nicht anders: Sie ist nicht zylindrisch wie viele Zigarren, sondern elliptisch oder konisch, es gibt sie sogar aromatisiert in zahlreichen Geschmacksrichtungen. Aber das Wichtigste ist: Sie besteht aus Kentucky-Tabak. Der wird meistens zu Pfeifentabak verarbeitet – außer eben in Italien, genauer in Cava de' Tirreni, einem Städtchen gleich neben der weltberühmten Amalfiküste.

Aroma pur


Wer das Fabrikgebäude am Ende einer Gasse an der vielbefahrenen Autobahn Salerno-Neapel erreicht, dem steigt schon auf dem Parkplatz der herbe, schwere, süßliche Duft in die Nase, der von Schritt zu Schritt stärker wird. Dazu gibt nur ein kleines Schild „Manifatture Sigaro Toscano“ einen weiteren Hinweis auf das Geheimnis des Duftes: Hier entstehen die typischen italienischen Zigarren. Auch der kleinste italienische Tabakladen hat wenigstens eine Auswahl davon. Und auf der ganzen Welt gibt es Kenner, die genau diese speziellen und sehr aromatisch-kräftigen Zigarren mögen.

Italienischer Stil: Mit einem großen T sind die Tabakläden in Italien gekennzeichnet. Das eigentliche Aushängeschild italienischer Rauchkultur beginnt ebenfalls mit T: der Toscano, die italienisch-eigenwillige Variante der Zigarre.

Mit einem Malheur fing alles anDas war nicht immer so. „Man hat früher in Italien gute, teure Zigarren für die feinen Leute hergestellt und billige für die Armen“, erzählt Gaetano Marino, der technische Leiter von Manifatture Sigaro Toscano. Doch ein Malheur sollte die Klassenunterschiede aufbrechen: Als im Jahr 1815 bei Florenz eine große Charge Tabak von einem heftigen Gewitterregen durchnässt wurde, in der Sonne wieder trocknete und dabei fermentierte, galt der Tabak als verdorben. Arme-Leute-Zigarren sollten deshalb daraus werden. Doch die Fermentation hatte dem Kentucky-Tabak einen besonderen Geschmack verliehen. „Den mochten nicht nur die die armen Leute, sondern der hat sich auch zu den Reichen herumgesprochen. Das war der Anfang unseres Erfolgs“, sagt Gaetano Marino, der hochachtungsvoll mit „Ingegnere“ angesprochen wird.

Vincenzo Ruggiere sortiert fehlerhafte Zigarren aus und legt die guten auf Gitterrahmen, auf denen sie trocknen dürfen.
Ingegnere Gaetano Marino, der technische Leiter der Manifatture Sigaro Toscano, kokettiert gerne mit der Diskussion um Rauchen oder Nichtrauchen. In Sachen sauberer Energieversorgung blieb er ernsthaft und entschied sich für ein Blockheizkraftwerk von mtu Onsite Energy.

Mit der kuscheligen Ruhe ist es nach der Fermentation vorbei. „Jetzt wird der Tabak für die Zigarrenproduktion aufbereitet“, erklärt Angelo Bencovenga. Der Staplerfahrer schüttet die gute halbe Tonne italienischen Kentucky-Tabaks in einen großen Metalltrichter. Förderbänder transportieren die dunkelbraunen Blätter von Station zu Station. Walzen, Messer, Siebe und Gebläse zerteilen, zerschneiden, sortieren und trocknen die Blätter. Am Ende zeigt Angelo Bencivenga gleichmäßig geschnittene Tabakstückchen, die spätere Einlage der Zigarre. Die dicken Rispen und Stiele sind aussortiert. „Daraus wird Biogas gemacht“, erklärt er. Wie Tabakreste wohl riechen mögen, wenn sie zu Biogas fermentieren? Vielleicht ist es besser, es nicht zu wissen.

Turning a leaf: Italian tobacco ferments at temperatures up to 65 degrees Celsius.

Energieversorgung raucht nicht mehr


Gas spielt eine wichtige Rolle in der Produktion. Denn ein Gas-Blockheizkraftwerk von mtu Onsite Energy mit Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung sorgt für elektrische Energie und das passende Klima. „Wir brauchen von Anfang bis Ende gleichbleibende kontrollierte Bedingungen. So stellen wir die Qualität unserer Produkte sicher“, stellt Ingegnere Marino fest. Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit müssen stimmen bei Fermentation, Verarbeitung, Lagerung und Trocknung. Das braucht viel Energie. Ein bisschen dürfte vor allem im Sommer das warme Mittelmeerklima helfen, die nötigen Temperaturen zu erreichen. Ungefähr die Hälfte des elektrischen Stroms für die Klimakammern, in denen beispielsweise die Zigarren trocknen und reifen, produziert die Zigarrenmanufaktur selber. „Das ist deutlich günstiger als der teure Strom aus dem Netz des Stromversorgers“, sagt Marino. 20 Prozent stammen von einer Photovoltaikanlage, 30 Prozent werden in einem Gas-Blockheizkraftwerk von mtu Onsite Energy gewonnen. Es ersetzte im Jahr 2011 den alten Dampfkessel, der mit Heizöl betrieben worden war. Jetzt schnurrt nebenan schadstoffarm der Zwölfzylinder-Gasmotor der Baureihe 400. Der Fabrikkamin stößt nun keinen schwarzen Rauch mehr aus. Sigaro Toscano hat der eigenen Energieversorgung das Rauchen abgewöhnt.

Strom, Wärme, Kälte – alles aus Gas


Das Gas für den Motor ist Erdgas aus der öffentlichen Gasversorgung. Der Technikchef aus der Zentrale in Lucca ist stolz darauf, was hier vor drei Jahren installiert wurde. Denn neben dem elektrischen Strom des BHKWs – bis zu 375 Kilowatt - nutzt Sigaro Toscano auch die beim Betrieb anfallende Motorwärme. Sie sorgt für angenehme Temperaturen in den Büros – sogar im Sommer. Denn wenn die Sonne erbarmungslos auf Süditalien brennt, macht eine Absorbtionskältemaschine aus der Motorabwärme angenehme Kühle.

Der Ingenieur hat diese „Trigenerazione“ selber ausgelegt, berichtet er nicht ohne Stolz. Enplus, italienischer Distributor für mtu Onsite Energy, hat die Gesamtanlage realisiert und das BHKW und die Kältemaschine verknüpft, sodass sie miteinander sowie mit dem Stromnetz und dem Wärmenetz des Unternehmens harmonieren.

25 Prozent weniger Kosten                       „Das Blockheizkraftwerk von mtu Onsite Energy hat die ideale Größe für uns. Es ist eine sehr gute Anlage. Und sie ist sehr leise. Ich glaube, von unseren Nachbarn hat noch gar niemand bemerkt, dass wir sie haben“, schmunzelt Gaetano Marino. „Wir erfüllen nicht nur gesetzliche Vorgaben, sondern versorgen uns besser und umweltfreundlicher mit Strom, Wärme und Kälte als zuvor.“ Die Erfahrung nach rund drei Jahren Betrieb: 25 Prozent der Energiekosten spart das Unternehmen gegenüber der alten Anlage. Strom und Wärme aus dem öffentlichen Netz sind doppelt so teuer wie die Eigenproduktion.

Mit dem elektrischen Strom aus dem Blockheizkraftwerk betreibt die Zigarrenmanufaktur unter anderem die Trocknungsanlagen für den Tabak, aber auch die Klimakammern, in denen die Zigarren nachfermentieren, reifen und trocknen.

Tonnenweise fermentiert der Tabak in fast mannshohen isolierten Gitterboxen im schwülwarmen Klima der Fermentierungshalle.

Ohne Opern-Romantik


Zuvor muss aber aus dem Tabak eine Zigarre werden. Das Klischee der Frauen, die an langen Tischen und im Halbdunkel die Zigarren rollen, wie in Georges Bizets Oper „Carmen“, bedient Sigaro Toscano hier nicht. Zigarrenmacherinnen gibt es nur im Hauptwerk in Lucca in der Toskana – und die rollen nur die teuersten Exemplare von Hand. In Cava de' Tirreni ist es auch keine schummrige Baracke, sondern ein großer, heller Raum. In dem arbeiten vor allem Männer – und Maschinen. Etwa zwei Dutzend vollautomatische Apparate mit komplizierter Mechanik haben die Arbeit der Zigarrenmacherinnen übernommen. Der Tabak kommt portionsweise aus einem großen Trichter, die einzelnen Deckblätter von einer Gaze-Rolle (für Insider: ein Umblatt zwischen Füllung und Deckblatt braucht es nicht). Die Männer kommen zum Schluss zum Einsatz – nein, nicht erst beim Rauchen, sondern bei der Qualitätskontrolle. Antonio Polverino ist einer von ihnen. Er nimmt die vom Tabakleim feucht glänzenden Zigarren aus der Maschine. Manchen sehen seine geübten Augen gleich an, dass diese Zigarre wohl besser von feinfühligen Frauenhänden gerollt worden wäre – Ausschuss. Die anderen verteilt er auf einem mit einem dünnen Gitternetz bespannten Holzrahmen, streicht mit geübter Hand darüber, nimmt einzelne heraus, beäugt und rollt sie kritisch - und wirft sie zum anderen Ausschuss. Alles, was fehlerhaft, zu dick, zu dünn, zu hart oder zu weich gerollt ist, fliegt raus, wird später zermahlen und bekommt im Produktionsprozess eine zweite Chance.

Tabak in Bewegung: Förderbänder transportieren den Tabak zu den Schneide- und Trocknungsmaschinen.

Gute Zusammenarbeit: Vincenzo Pardi (vorne) von mtu Italia und Ivano Odone vom italienischen Serviceunternehmen CCS arbeiten Hand in Hand. Der italienische Distributor für mtu Onsite Energy, Enplus, hat die Gesamtanlage mit Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung auf Basis eines Blockheizkraftwerks der Baureihe 400 erstellt. Die Servicetochter CCS wartet die Anlage.

Die Drei-Männer-Zigarre


40.000.000 dieser Zigarren produziert die Firma in Cava jedes Jahr, berichtet Gaetano Marino und betont: „Unsere Zigarren sind Genussmittel, man sagt heute Lifestyle. Man sollte sie behutsam genießen.“ Kenner dieser ziemlich kräftigen Zigarren ist der Hinweis auf die Behutsamkeit nicht neu. Man sagt, es brauche für eine solche drei Männer – einer raucht, zwei halten ihn fest.

Prima Klima schafft prima Zigarren: Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit müssen im Trockenraum stimmen, damit die Zigarren nachreifen können. Qualitätskontrolleur Gerardo Alfieri ist zufrieden.

Zwei mit langer Tradition


Die Manifatture Sigaro Toscano geht auf eine im Jahr 1818 bei Florenz gegründete Tabakmanufaktur zurück. Heute ist die Manifatture Sigaro Toscano Teil der 135 Jahre alten Unternehmensgruppe Maccaferri aus Bologna in Norditalien. Dazu gehören unter anderem Tochterunternehmen für Tiefbauprodukte, Biotechnologie, Metallbearbeitung, Bau, Energietechnik und Lebensmittel. Die Zigarrenproduktion kam erst im Jahr 2006 dazu. Die italienische Tabakindus-trie war seit dem 19. Jahrhundert in staatlicher Hand. BAT (British American Tobacco) übernahm die gesamte Tabakproduktion vom italienischen Staat im Jahr 2003 und verkaufte drei Jahre später die Zigarrensparte an Maccaferri.

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Daniele di Franco
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