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Auf der schwäbsche Eisenbahn

Veröffentlicht am 09 August 2016 von Caren-Malina Butscher, Bilder von Robert Hack, Deutsche Bahn, Fotolia

Wo Deutschland am schönsten ist: Mit der „schwäbschen Eisebahn” ans Schwäbische Meer.
Lake Constance, Germany

„Auf de schwäbsche Eisebahne gibt’s gar viele Haltstatione: Schtuegert, Ulm und Biberach, Meckebeure, Durlesbach. Trulla, trulla, trullala ...” Achtung! Lesen Sie jetzt bloß nicht weiter. Es sei denn, Sie wollen für den Rest des Tages einen Ohrwurm in Ihrem Kopf haben. Das Lied von der „Schwäbischen Eisenbahn“ ist weitbekannt und wurde zum Lieblingslied der Schwaben. Die Strecke der heutigen „Südbahn“ – von Ulm nach Friedrichshafen – gibt es seit dem Jahr 1847. Heute bringen Züge mit mtu-Motoren sowohl Einheimische als auch viele Touristen durch die Urlaubsregion Oberschwaben an den Bodensee.

Kurz vor 12 Uhr fährt der rot lackierte Interregio-Express der Deutschen Bahn langsam auf Gleis 3 im Hauptbahnhof in Ulm ein. Mit einem lauten Pfeifen hält der Zug an. Thomas Korber und Melissa Ardern stehen schon wartend am Gleis. Neben ihnen stehen ihre Fahrräder: Vollbepackt mit großem Rucksack, Regencape und Trinkflasche – das australische Paar reist zwölf Tage durch Süddeutschland. Gestartet sind sie in Augsburg, der Heimat von Thomas‘ Eltern. Die Diesellokomotive der Deutschen Bahn, die die Australier von Ulm nach Friedrichshafen bringen wird, fährt mit einem mtu-Motor der Baureihe 4000. Dass es ein Lied aus dem Jahr 1853 über genau diese Bahnstrecke gibt, wissen die zwei aus Sydney nicht. Doch dass man am Bodensee prima Urlaub machen kann, hat sich sogar bis nach Australien rumgesprochen. „Wir sind beeindruckt von der Landschaft. Ich freue mich auf Lindau und Friedrichshafen. Denn am Bodensee können wir nicht nur schwimmen gehen, sondern haben auch einen Blick auf die Alpen. Und dazu noch tolle Fahrradwege“, sagt Melissa.

Mit 2.718 PS von Ulm nach Friedrichshafen


Zwischen Mai und Oktober sind viele Radfahrer in der Region unterwegs – für die Bahn sind sie wichtige Kunden. Um 12.12 Uhr setzt sich die Diesellok mit ihren 2.718 PS dann in Bewegung Richtung Bodensee. Die Loks mit mtu-Motoren der Baureihen 956 oder 4000 fahren stündlich von Ulm über Biberach, Aulendorf, Ravensburg, Meckenbeuren nach Friedrichshafen. Im Lied „Auf der schwäbsche Eisebahne“ werden die Bahnhöfe der Strecke erwähnt: Stuttgart, Ulm und Biberach, Meckenbeuren, Durlesbach. Auf der Strecke kommt Durlesbach vor Meckenbeuren. Die abweichende Reihenfolge im Liedtext mag dem Reim geschuldet sein, entspricht jedoch genau der Bedeutung dieser Bahnhöfe. Im Jahr 1984 wurde die Station Durlesbach geschlossen. Dort erinnert ein Eisenbahndenkmal, bestehend aus einer alten Dampflok, einem Tender und zwei Waggons an das bekannte Schwabenlied.

Die Australier Melissa Ardern und Thomas Korber machen eine Fahrradt our durch Süddeutschland. Mit dem Zug geht es von Ulm nach Friedrichshafen an den Bodensee.

Wandern, schwimmen, erholen

Sobald die zwei Australier Friedrichshafen mit dem Zug erreicht haben, soll es mit dem Fahrrad entlang des Rheins weitergehen: Basel, Straßburg und der Schwarzwald stehen auf der Route des Paars. „Für mich ist das der perfekte Urlaub: Abwechselnd mit dem Zug und dem Fahrrad durch die Landschaft fahren. Die gut ausgebauten Zugverbindungen machen es einem wirklich einfach, die Route zu planen“, sagt Thomas. „Zudem stimmt das Gesamtpaket: Wandern, schwimmen, erholen – mehr braucht es nicht“, ergänzt er.  

Andreas Wentzel ist Lokführer bei der Deutschen Bahn: Urlaubsstrecken sind sein Alltagsgeschäft.

Ab Aulendorf mit Bergpanorama

Saftige Wiesen, schmale Flüsse, weitläufige Landschaften, barocke Kirchen: Die Schönheit Oberschwabens erkennen Bahnreisende schon entlang der Strecke. Für die Lokführer der Deutschen Bahn ist die Strecke von Ulm nach Friedrichshafen Alltag. „Trotz der bekannten Strecke ist es etwas Besonderes, wenn nach Aulendorf der Blick auf die Berge in der Schweiz frei wird“, erzählt Andreas Wentzel. Als Lokführer bei der Deutschen Bahn fährt er die Strecke regelmäßig. „Die Südbahn ist eine sehr attraktive und gut nachgefragte Strecke. Mit der Verbindung an den Bodensee und in die Schweiz und nach Österreich ist das Gebiet bundesweit aus touristischer Sicht eines der wichtigsten“, sagt Wentzel. Morgens und abends nutzen zudem viele Berufspendler die Bahnstrecke, tagsüber Schulklassen, Einheimische und Touristen. „Egal zu welcher Uhrzeit: Die Züge sind fast immer voll“, ergänzt er.

Gütertransport ab dem 19. Jahrhundert

Wichtiger als heute der Personenverkehr war Anfang des 19. Jahrhunderts die Frage, wie der Gütertransport von Deutschland in die Schweiz und nach Italien funktionieren sollte. Als Alternative zur Bahn wurde damals eine Kanalverbindung erwogen. Doch der Bau einer Eisenbahnstrecke erwies sich als bessere Lösung: Mehrere Eisenbahnstrecken, die sich als Nord-, West-, Ost- und Südbahn zu einem Netz ergänzen konnten, sollten die dringlichsten Verkehrsbedürfnisse des damaligen Königreichs Württemberg abdecken.

Die Verbindung von Ulm nach Friedrichshafen ist eine sehr attraktive und gut nachgefragte Strecke. Mit der Verbindung an den Bodensee und in die Schweiz und nach Österreich st das Gebiet bundesweit aus touristischer Sicht eines der wichtigsten Urlaubsziele.

König Wilhelm I.: „So wird die Strecke gebaut!“

Für die Planung der Strecke setzte sich König Wilhelm I. von Württemberg Anfang der 1830er-Jahre persönlich ein. Doch die Planung zog sich in die Länge: Die für einen Bahnhof infrage kommenden Gemeinden konnten sich nicht einigen, wer einen Bahnanschluss erhalten sollte. König Wilhelm I. dauerte das zu lange: Er wollte seinen Sommersitz Kloster Hofen auf dem Gebiet der heutigen Stadt Friedrichshafen möglichst schnell von Stuttgart aus mit dem modernen Verkehrsmittel erreichen. Daraufhin soll er ein Lineal auf die Landkarte gelegt haben mit den Worten: „So wird die Strecke gebaut!“ Die Strecke zwischen Ulm und Friedrichshafen wurde im Jahr 1847 fertiggestellt. Mit dem Bau der Eisenbahn wurden dann nicht nur Wirtschaft und Industrie in der Region angekurbelt, sondern sie eröffnete den Menschen eine andere Welt. Eine Welt, in der große Entfernungen kein Hindernis mehr darstellten.

Spöttisches Lied über Verunsicherung

„Auf de schwäbsche Eisebahne, wollt emol e Bäuerle fahre, geht an Schalter, lupft de Huet: ?Oi Billettle, seid so guet!’ Trulla trulla trullala …“ Das Lied von der „Schwäbischen Eisenbahn“ entstand sechs Jahre nach der ersten offiziellen Fahrt. Die damalige Landbevölkerung zeigte sich verunsichert gegenüber dem technischen Fortschritt. Studenten aus Tübingen sollen das spöttische Lied verfasst haben. Auch wenn das Lied frei erfunden ist, spiegelt es die Unsicherheit der Bevölkerung wider. Das Ende des Liedes ist tragisch: Ein Geißbock, der von seinem Besitzer ans Zugende gebunden worden war – wie er das von seinen Reisen mit der Postkutsche gewohnt war – starb, da die Lok schneller als erwartet fuhr.

Die Uferpromenade in Friedrichshafen ist im Sommer ein beliebtes Ziel der Touristen. Mit Blick auf den Bodensee und die Berge kann man ja auch herrlich entspannen ...

Friedrichshafen als Industriestadt

Um 1900 wurden erste Arbeiterzüge im Zuge der Industrialisierung eingesetzt. Die Südbahn trug daher zur Entwicklung Friedrichshafens als Industriestadt maßgeblich bei. Seit den 1930er-Jahren gibt es den Dieselbetrieb auf der Südbahn: Triebwagen mit Maybach-Motoren, Vorgänger der mtu, waren dort schon ab 1924 versuchsweise unterwegs. Mit dem Aufkommen neuer Fortbewegungsmittel sank die Bedeutung der „Schwäbischen Eisenbahn” wenige Jahre später jedoch stark: Der Güterverkehr wurde auf die Straße verlegt, der Individualverkehr stieg an. Heute nehmen viele Reisende die Bahn jedoch wieder als Verkehrsmittel – die Zeit im Zug kann wunderbar genutzt werden.

Sabine Schmidt (links) und Angelika Petri stammen gebürtig aus Ulm. Die „Schwäbische Eisenbahn“ kennen sie noch aus der Kindheit. .

Erinnerungen an die Kindheit

„Auf de schwäbsche Eisebahne, dürfet Küh’ und Ochse fahre. Büeble Mädle Weib und Ma, kurzum alls was zahla ka. Trulla trulla trullala ...“ Nahezu auswendig können Sabine Schmidt und Angelika Petri das Lied über die „Schwäbische Eisenbahn”. Die zwei gebürtigen Ulmerinnen sind auf dem Weg nach Aulendorf, wo sie eine alte Bekannte besuchen. „Das Lied weckt Kindheitserinnerungen. Früher haben wir es oft gesungen“, sagt Angelika Petri. „Unsere oberschwäbische Heimat ist was ganz besonderes. Wir haben hier eine liebliche Gegend mit einer tollen Landschaft, kleinen Dörfern und Städten, zahlreichen Thermal- und Heilbädern, Rad- und Wanderwegen“, sagt Sabine Schmidt. Solange noch ältere Leute leben, wird die „Schwäbische Eisenbahn“ gesungen, weil es ihr Welthit war – da sind sich die Ulmerinnen einig.

Stefanie Saschewag und Norbert Hopfner, beide aus Berlin, waren auf Heimatbesuch in der Nähe von Lindau. Mit der „Schwäbischen Eisenbahn“ fahren sie vom Bodensee nach Ulm, bevor es weiter in die Hauptstadt geht.

Selbst die Bahnfahrt ist wie Urlaub

Die einen nutzen die Südbahn, um in den Urlaub zu kommen – die anderen, um damit ihre Heimreise anzutreten. Aus einem erholsamen Urlaub kommen Stefanie Saschewag und Norbert Hopfner zurück, als sie mit Reisetaschen und Koffern am Hauptbahnhof in Ulm umsteigen. Die zwei Berliner waren auf Heimatbesuch in Österreich. „Meine Eltern wohnen in der Nähe von Bregenz, dort haben wir uns eine Woche Auszeit von Berlin genommen“, erzählt Norbert. An der Heimat am Bodensee schätzt er das Urlaubs-Flair: „Es ist schon verrückt: Als Wahl-Berliner fühle ich mich in der beschaulichen, ländlichen Heimat wirklich wie im Urlaub. Da muss ich nicht weit wegfliegen, um zu entspannen“, ergänzt er. Auch für seine Frau ist eine Woche am Bodensee genauso schön wie ein Strandurlaub in Italien oder Spanien. „Ich mag die Natur. Auf der Fahrt von Friedrichshafen nach Ulm fühlt man sich immer noch wie im Urlaub – auch wenn der eigentlich schon vorbei ist. Alles um einen herum ist grün. Die Leute sind freundlich, und im Vergleich zu Berlin mag ich die Abgeschiedenheit hier“, sagt Stefanie, die in Berlin geboren ist.

„Auf de schwäbsche Eisebahne, gibt’s gar viele Haltstatione: Schtuegert, Ulm und Biberach, Meckebeure, Durlesbach. Trulla, trulla, trullala ...” Und jetzt fragen Sie sich sicher, wie Sie das Trullatrullatrullala wieder aus dem Ohr kriegen. Psychologen empfehlen das Lösen leichter Sudokus. Bin gespannt, ob das auch bei der Autorin dieses Textes funktioniert.

Das Ulmer Münster ist eine im gotischen Baustil errichtete Kirche in Ulm. Und als größte evangelische Kirche Deutschlands für Touristen einen Besuch wert.
Die Loks mit mtu-Motoren der Baureihen 956 oder 4000 fahren stündlich von Ulm über Biberach, Aulendorf, Ravensburg und Meckenbeuren nach Friedrichshafen.
Die Loks mit mtu-Motoren der Baureihen 956 oder 4000 fahren stündlich von Ulm über Biberach, Aulendorf, Ravensburg und Meckenbeuren nach Friedrichshafen.
Meckenbeuren liegt knapp zehn Kilometer nördlich von Friedrichshafen.
Meckenbeuren liegt knapp zehn Kilometer nördlich von Friedrichshafen.
Früher war der Bahnhof in Durlesbach nicht nur wegen des Liedes bekannt, sondern es war eine Station auf der wichtigen Eisenbahnverbindung zwischen dem Norden und dem Süden des Ländle. Der Bahnhof in Durlesbach ist inzwischen ein Ausflugslokal. Schienen führen hier immer noch vorbei – doch die Personenzüge halten nicht mehr.
Früher war der Bahnhof in Durlesbach nicht nur wegen des Liedes bekannt, sondern es war eine Station auf der wichtigen Eisenbahnverbindung zwischen dem Norden und dem Süden des Ländle. Der Bahnhof in Durlesbach ist inzwischen ein Ausflugslokal. Schienen führen hier immer noch vorbei – doch die Personenzüge halten nicht mehr.
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