Ein ganz besonderes Fahrzeug
Im Führerhaus des knallgelben Schienenfahrzeugs steht jetzt Peter Gerber, der Technische Projektleiter der SBB für dessen Beschaffung. Seine Augen strahlen und Begeisterung liegt in der Stimme, sobald er Fragen zu der Maschine mit der sachlich-trockenen Typenbezeichnung Xem 181 011 beantworten soll: „Oh ja, das Fahrzeug ist für mich eine Herzensangelegenheit“, sagt er: „Ich begleite das Projekt seit der Ausschreibung.“ Die Firma Harsco Rail hatte damals mit ihrem jetzt verwirklichten Entwurf den Zuschlag erhalten. Das von Harsco-Ingenieuren auf die Anforderungen der SBB hin maßgeschneiderte Konzept strotzt vor technischen Finessen – darunter die automatischen Kupplungen an beiden Enden und die Vereinbarkeit mit dem europäischen Zugbeeinflussungssystem ETCS.
„Die größte Besonderheit ist aber der Zweikraft-Antrieb“, sagt Gerber. „Wir können sowohl elektrisch fahren als auch im Diesel-Betrieb. Das kann der Triebfahrzeugführer ganz einfach umstellen, auch während der Fahrt.“ Gerber zeigt auf zwei Knöpfe am Bedienpult, einer ist mit einem E – für elektrisch – beschriftet. Der Knopf daneben mit dem D für Diesel leuchtet: Heute fährt der Triebwagen fast ununterbrochen mit der Antriebskraft des mtu-PowerPacks. Im Einsatz wird dies nur selten passieren: „Wir gehen davon aus, dass wir pro Jahr etwa 400 Stunden im Dieselmodus fahren werden“, erklärt Gerber. Die meiste Zeit seien die Fahrzeuge unter Oberleitung unterwegs. Nur wenn diese ausfällt oder zur Wartung ausgeschaltet werden muss, schlägt die Stunde des mtu-PowerPacks, das dann sofort und in jeder Situation zuverlässig funktionieren muss.
Im Dienst für die Sicherheit
Der 57 Kilometer lange Gotthard-Tunnel soll nicht nur der längste, sondern auch der sicherste Eisenbahntunnel der Welt sein. Dafür wird ein großer Aufwand betrieben. Zusätzlich zu Lösch- und Rettungszügen, die ebenfalls mit mtu-Antrieben ausgerüstet sind, beschaffen die SBB insgesamt 13 Erhaltungsfahrzeuge und 18 nicht angetriebene Zwischenwagen mit verschiedenster Ausrüstung für den Einsatz in dem Tunnel der Superlative. Ab Anfang 2017 soll das erste Fahrzeug dieses Typs dort im Einsatz sein. Kernauftrag ist die Inspektion und Instandhaltung der Gleise, Fahrleitungen und der gesamten Bahn-Infrastruktur in den Tunneln: „Beleuchtung, Lüftungen, Sicherheitseinrichtungen und Funkanlagen müssen ständig kontrolliert werden“, erklärt Peter Gerber. Auch die regelmäßige Spülung der riesigen Entwässerungsschächte gehöre dazu: „Sonst würden sich dort Stalaktiten bilden.“
Logistische Meisterleistung in der Nacht
Jedes Wochenende wird jeweils eine der beiden Tunnelröhren nachts gesperrt. Und dann muss alles schnell gehen: „Aus den Erhaltungs- und Interventionszentren der SBB in Erstfeld im Norden und Biasca im Süden rücken insgesamt drei Züge mit hoher Geschwindigkeit – bis zu 100 Stundenkilometer – aus. Die Züge bestehen aus jeweils drei bis vier Erhaltungsfahrzeugen mit Zwischenwagen und verteilen sich an verschiedene Stellen im Tunnel.“ Gerber nennt das die „zeitoptimale Beschickung“ des Tunnels: Um die begrenzte Zeit im Tunnel möglichst effektiv zu nutzen, arbeiten die bis zu acht Mann Besatzung pro Erhaltungsfahrzeug an verschiedenen Stellen gleichzeitig. Am Ende der Schicht vereinigen sich die einzelnen Maschinen wieder zu Zügen und ein weiteres technisches Schmankerl der Xem 181 kommt zum Einsatz: „Ein leitendes Fahrzeug kann die Steuerung über weitere, die mit ihm verbunden sind, übernehmen“, erklärt Gerber.