Erste Hochtemperatur-Brennstoffzelle im Industrieeinsatz
Veröffentlicht am 10 Februar 2003
Am 7. Februar ist bei den Michelin-Reifenwerken in Karlsruhe die erste Hochtemperatur-Brennstoffzelle für den industriellen Einsatz in Betrieb genommen worden.
- HotModule bei Michelin in Karlsruhe in Betrieb genommen
- Hochlauf der Serienproduktion für 2006 geplant
- Rekordergebnisse beim Wirkungsgrad erzielt
- Hohes Marktpotenzial der Technologie
- Neue Perspektiven der Energieerzeugung
- Technische Daten der Anlage bei Michelin
Karlsruhe - Am 7. Februar ist bei den Michelin-Reifenwerken in Karlsruhe die erste Hochtemperatur-Brennstoffzelle für den industriellen Einsatz in Betrieb genommen worden. Das "HotModule", so die Produktbezeichnung der Brennstoffzellen-Anlage, wird im Rahmen eines Feldversuchs bei Michelin im Alltagsbetrieb getestet.
Das HotModule ist eine Technologie, die als dezentrales Kleinkraftwerk entwickelt wurde und die sich nach über zehn Jahren Entwicklung derzeit in der Phase der Praxis-Erprobung befindet. Hierbei werden Anlagen dieser Art in unterschiedlichen Anwendungsbereichen auf ihre Alltagstauglichkeit getestet. Das HotModule ist besonders umweltfreundlich, weil es so gut wie keine Schadstoffe emittiert. Es ist obendrein ressourcenschonend, weil es bedeutend weniger Brennstoff als vergleichbare konventionelle Kraftwerke benötigt, um die gleiche Menge Strom herzustellen. Als dezentrales Kleinkraftwerk ist die Anlage vor allem deshalb gut geeignet, weil sie außer Strom auch Hochtemperatur-Wärme generiert. Die Wärme wird für eine Vielzahl industrieller Prozesse benötigt, bei Michelin beispielsweise zur Erzeugung von Prozessdampf für die Vulkanisation von Reifen. Das HotModule wird im Normalfall mit Erdgas betrieben, kann aber auch mit anderen Brennstoffen arbeiten.
Der Standort Michelin eignet sich für den mehrjährigen Testbetrieb der Brennstoffzelle hervorragend, weil das Reifenwerk im Dreischichtbetrieb produziert und kontinuierlich Dampf benötigt. Das Potenzial der gekoppelten Erzeugung vn Wärme und Strom, der sogenannten Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), kann so optimal genutzt und die Brennstoffzelle in Grundlast betrieben werden.
Hochlauf der Serienproduktion für 2006 geplant
Das HotModule befindet sich voll im Zeitplan auf dem Weg zur Serienfertigung. Bis heute wurden zehn Feldversuchsanlagen installiert, wovon momentan acht in der Praxiserprobung laufen. Zwei Anlagen haben ihre Tests bereits hinter sich. 2003 sollen weitere Anlagen für Kunden in Europa, USA und Asien ausgeliefert werden. Gegenüber anderen Brennstoffzellen-Technologien ist das HotModule aufgrund seiner Konstruktion und Bauart heute bereits vergleichsweise ausgereift und verhältnismäßig günstig herzustellen. Nicht zuletzt deshalb ist für das HotModule die Serienreife in Sicht. Mit jeder neuen Anlage werden wichtige Erfahrungen gesammelt, die bei der weiteren Entwicklung, und vor allem im Hinblick auf die Serienreifmachung, berücksichtigt werden. Vorläufiger Zielpunkt ist dabei das Jahr 2006, für das der Hochlauf einer Serienfertigung geplant ist.
Rekordergebnisse beim Wirkungsgrad erzielt
Über zwei Jahre lang war eine erste HotModule Feldversuchsanlage in Kundenhand an der Universität Bielefeld in Betrieb. Es speiste seine elektrische Energie in das Netz der Stadtwerke ein und versorgte die Universität mit Wärme und Dampf. Im Dauerbetrieb konnten wichtige Erkenntnisse gewonnen werden, die zur weiteren Optimierung der Technologie beigetragen haben. Während ihrer Gesamt-Laufzeit von 16.000 Betriebsstunden erzielte die Anlage Rekordwerte: Sie lief länger als jede andere Karbonat-Brennstoffzelle zuvor und erreichte einen elektrischen Wirkungsgrad von 47 Prozent, ein Wert, der in der 250-Kilowatt-Klasse von keiner konventionellen Technologie erreicht wird. Zum Vergleich: Moderne Gasmotoren der gleichen Größenklasse arbeiten mit einem mechanischen Wirkungsgrad von maximal 41 Prozent, die Umwandlung der mechanischen Energie in Strom noch nicht mit eingerechnet.
Die weltweit erste Hochtemperatur-Brennstoffzelle im klinischen Bereich wurde 2001 im Rhön-Klinikum in Bad Neustadt/Saale in Betrieb genommen und liefert Strom und Wärme für einen Teil der Klinik. Neben der elektrischen Energie nutzt der medizinische Bereich des Rhön-Klinikums den Hochdruck-Wasserdampf, der mit der heißen Abluft erzeugt wird, zum Klimatisieren und Sterilisieren.
In den USA wurden bisher zwei mtu-HotModules in den Anwendungsfeldern Automobilindustrie und Energieversorgung in Betrieb genommen. Die Auslieferung der Gesamtanlagen erfolgte durch Fuel Cell Energy Inc. (Danbury, Connecticut), einem amerikanischen Kooperationspartner, an dem mtu als größter Einzelgesellschafter beteiligt ist. Von FCE stammen die Zellen des HotModules, zentrale Komponenten der Anlage.
Hohes Marktpotenzial der Technologie
Die Resultate der ersten HotModule-Feldversuchsanlagen haben ein starkes Interesse bei möglichen Nutzern geweckt. Im Jahr 2002 wurden fünf weitere Anlagen in Betrieb genommen. Dies war ein bedeutender Schritt in Richtung Serienreife. Die Anlagen wurden u. a. bei DeTeImmobilien in München, IPF in Magdeburg, RWE in Essen und IZAR im spanischen Cartagena installiert.
Die Märkte für stationäre Brennstoffzellen ergeben sich aus den Möglichkeiten, die diese Technologie innerhalb der bestehenden Infrastruktur eröffnet. Der Brennstoff ist im wesentlichen Erdgas, wenngleich auch andere Gase verwendet werden können. Im Vergleich zu herkömmlichen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen hat das HotModule einen wesentlich höheren Wirkungsgrad und ist deutlich sauberer. Es erreicht derzeit eine elektrische Netzleistung von 230 Kilowatt bei einer Zellblock-Leistung von 270 Kilowatt. Hinzu kommen rund 180 kW thermische Energie. Insgesamt kann das HotModule damit einen Nutzungsgrad von über 90 Prozent erreichen. Die Schadstoff-Mengen, die die Anlage emittiert, sind so gering, dass man entsprechend der TA Luft von ‚Abluft' anstatt von ‚Abgas' redet. Die Abluft besteht hauptsächlich aus heißer Luft und Wasserdampf. Stick- und Schwefeloxide werden so gut wie keine emittiert. Auch Kohlendioxid wird deutlich weniger ausgestoßen als bei herkömmlichen Kraftwerken. Mit Blick auf die Lage des Reifenwerks mitten im Stadtgebiet von Karlsruhe strebt Michelin mit dieser Anlage eine besonders umweltfreundliche und kohlendioxidarme Energieerzeugung an.
Neue Perspektiven der Energieerzeugung
Eine andere technische Eigenschaft des HotModules ist geeignet, mit dieser Brennstoffzelle über die bekannten Märkte hinaus auch vollkommen neue zu erschließen: Im Gegensatz zu anderen Brennstoffzellen kann das HotModule neben Erdgas auch mit anderen Brennstoffen, die Kohlenwasserstoffe enthalten, wie z.B. mit Biogas, Klärgas, Deponiegas, industriellen Restgasen und Methanol betrieben werden. Damit eröffnen sich uns völlig neue Perspektiven. Heute gehen viele dieser Gase in Industrie und Landwirtschaft völlig ungenutzt verloren oder werden bestenfalls thermisch genutzt. Das HotModule bietet eine hocheffiziente Möglichkeit, diese Gase zur Stromproduktion zu nutzen.
Technische Daten des HotModules
Brennstoff | Erdgas, Biogas, Klärgas, Deponiegas, Industrielle Restgase, Methanol |
Elektrische Leistung des Zellblock | 270 kW |
Elektrische Leistung der Anlage am Netz | ca. 230 kW |
Thermische Leistung der Anlage | 180 kW |
Elektrischer Wirkungsgrad Zellblock | ca. 56 % |
Gesamtnutzungsgrad | > 90 % |
Anzahl der Zellen | ca. 350 |
Ablufttemperatur für Wärmenutzung | ca. 400° C |