FALLSTUDIE Kommerzielle Schifffahrt

Bodenseefähre „Lodi“ fährt mit weiterentwickeltem „Ironmen“-Motor

Veröffentlicht am 28 November 2016

Das Bodensee-Fährschiff „Lodi“ bringt im Halbstundentakt Passagiere und Fahrzeuge von Meersburg nach Konstanz-Staad und wieder zurück. Den nötigen Schub liefert seit Anfang 2013 ein neuer mtu-„Ironmen“- Motor der neuesten Generation, der die Emissionsanforderungen der Stufe EPA Tier 3 erfüllt – und den wertvollen Trinkwasserspeicher, auf dem die „Lodi“ fährt, so wenig wie möglich belastet.
Details

Wer

Stadtwerke Konstanz

Was

8-Zylinder-Arbeitsschiffmotor der Baureihe 4000 „Ironmen“ erfüllt Emissionsstufe EPA Tier 3

Wie

Umweltfreundlicher und kraftstoffsparender Antrieb für die Autofähre „Lodi“

Wo

Bodensee, zwischen Meersburg und Konstanz-Staad

Und um zu testen, wie wir unsere Flotte weiter optimieren können, erproben wir seit 1979 gemeinsam mit mtu neue Antriebslösungen.

Hans-Dieter May - technischer Leiter der Stadtwerke Konstanz
Meersburg/Konstanz — Auf dem Bodensee herrscht reger Verkehr. Rund 61.000 Fahrten jährlich unternehmen die sechs Fähren, die die Uferstädte miteinander verbinden. Zusammen transportieren sie an die 1,4 Millionen PKW, 89.000 Nutzfahrzeuge und etwa 4,3 Millionen Freizeitpassagiere und berufsbedingte Pendler. Um das kontinuierlich steigende Passagieraufkommen zu bewältigen, entschlossen die Stadtwerke Konstanz, ihre Flotte um ein weiteres Schiff zu erweitern. Im Mai 2010 nahm die „Lodi“, die den italienischen Namen der Partnerstadt von Konstanz trägt, den Fährbetrieb zwischen Meersburg und Konstanz auf. Angetrieben wird das mit 82 Metern längste Schiff auf dem Bodensee von zwei robusten, kraftstoffeffizienten 8-Zylindermotoren der mtu-Baureihe 4000 Ironmen. Neben ihrem Tier-2-zertifizierten Ironmen fährt die „schwimmende Brücke“ seit Anfang 2013 mit einer weiterentwickelten Version des gleichen Motors, der die Emissionsstufe EPA Tier 3 erfüllt.

Mit 82 Metern ist die „Lodi“ das längste Schiff auf dem Bodensee. Bei voller Fahrt erreicht die Doppelendfähre eine Höchstgeschwindigkeit von 26 km/h.
Regelmäßig überzeugt sich die Crew der „Lodi“, dass am Motor alles läuft. Der 8-Zylinder-Arbeitsschiffmotor der Baureihe 4000 erfüllt die Emissionsgrenzwerte der US-amerikanischen Abgasstufe Tier 3 ohne ein Abgasnachbehandlungssystem.
Arbeitsplatz mit Aussicht: Als einer der ersten weltweit fährt der Schiffsführer der „Lodi“ eine Fähre mit dem mtu-Ironmen. Bis zu 26 Mal täglich lenkt er sie in die Häfen von Meersburg und Konstanz.

Der neue mtu-Ironmen: optimal für die Arbeitsschifffahrt


Der neue Ironmen basiert auf den Langhubmotoren der mtu-Baureihe 4000 M23-M63, die EPA Tier 2, IMO Tier II und ZKR II erfüllen. Verfügbar in den Zylindervarianten 8V, 12V und 16V und einer Leistung von 750 bis 2.000 Kilowatt erfüllt die neue Generation 4000 M04 die Emissionsanforderungen der Stufe EPA Tier 3 rein innermotorisch — ohne Partikelfilter oder SCR-Katalysator. mtu verwendet zu diesem Zweck das verbesserte und bereits erprobte Einspritzsystem LEAD2 (Low Emission Advanced Design) der Tier-4i-zertifizierten 4000er-Generation aus der C&I-Anwendung. Dieses verfügt über einen Einspritz- druck bis zu 2.200 bar, wodurch Verbrennungsprozesse mit sehr niedrigem Partikelausstoß ermöglicht werden. Außerdem verbesserte das Entwicklungsteam die für die Verbrennung relevanten Bauteile, wie Turboaufladung, Kolben und Nockenwellengeometrie. Mit diesem Feintuning reduzierte mtu die Stickoxid-Emissionen um 20 Prozent und Feinstaubemissionen um 45 Prozent, passend für Tier 3.
Trotz der sehr niedrigen Abgasemissionen sind die neuen Ironmen-Motoren äußerst kraftstoffeffizient. Ziel der Entwickler war, neue Maßstäbe hinsichtlich des Verbrauchs und der Lebenszykluskosten zu setzen — was sich in der Praxis bestätigt: Bei der „Lodi“ liegt der durchschnittliche Verbrauch des neuen Motors bei 115 Litern pro Betriebsstunde. Alle drei Tage legt die „Lodi“ einen Tankstopp in Konstanz ein. Falls nötig, würde der 10.000-Liter-Tank jedoch für eine knappe Woche reichen.

Hohe Verfügbarkeit dank verbessertem Service


Auch bei der Wartung geht mtu neue Wege. Basierend auf der Analyse von einer Vielzahl erfasster Betriebsstunden wurde das bestehende Wartungskonzept optimiert. Der Service-Zeitpunkt leitet sich vom tatsächlichen Nutzungs- profil ab, d.h. der Motor wird entsprechend seiner Beanspruchung gewartet und nicht nach einem schon vor dem Einsatz festgelegten Plan. Dies führt zu deutlich längeren Wartungsintervallen und eine Grundüberholung fällt erst nach über 30.000 Betriebsstunden an — was wiederum die Wartungskosten verringert. Ein klarer Vorteil für Betreiber von Arbeitsschiffen wie der „Lodi“ mit Motoren im Dauereinsatz und häufigen Starts/Stopps. Sie profitieren von einer solchen Wartungslösung besonders.
Die nötigen Daten zur Analyse stellen die Stadtwerke Konstanz zur Verfügung. Per Fernabruf über ein GSM-Modul (GSM - Global System for Mobile Communications) lassen sich aktuelle Angaben etwa zu Drehzahlen, Öltemperaturen und Kraftstoffverbrauch in Echtzeit abrufen. mtu nutzt den direkten Zugriff auf die Betriebsdaten der mtu-Motoren, um sich ein umfassendes Bild über deren Zustand zu machen — und den Stadtwerken so zu ermöglichen, den Antrieb der „Lodi“ künftig noch besser instand zu halten und zu warten.

Doppelendfähre im Schiebe- und Ziehbetrieb


Jeweils einer der 746 kW starken Motoren befindet sich an jedem Ende der „Lodi“. Da die Doppelendfähre nicht wendet, sondern nur die Richtung wechselt, liegt der Motor, der eben noch in Fahrtrichtung vorn war, auf der Rückfahrt am hinteren Ende. Der neue Ironmen-Motor, der während der Überfahrt südwestlich in Richtung Schweiz bzw. Konstanz-Staad zeigt, wird deshalb auch „Staader Motor“ genannt, sein Bruder auf der gegenüberliegenden Seite „Meersburger Motor“. Im Fährbetrieb laufen immer beide Motoren, wobei der eine zieht und der andere schiebt. Der jeweilige Ziehmotor läuft zu diesem Zweck auf etwas höherer Leistung (ca. 75%, verglichen mit ca. 65% Leistung). Theoretisch reicht ein Motor aus, um die „Lodi“ vorwärtszubewegen. Mit der Leistung beider Motoren wird jedoch sichergestellt, dass die Fähre nie antriebslos auf dem Bodensee treibt und geborgen werden muss. Nimmt ein Antrieb Schaden und fällt aus, kann der zweite, noch funktionstüchtige Motor die Fähre sicher in den Hafen zurückbringen.
Gesteuert wird die „Lodi“ über zwei Voith- Schneider-Propeller (VSP), die mit den mtu-Motoren über spezielle Kupplungen und Wellen verbunden sind. Nach dem Start fährt jeder Motor auf seine Nenndrehzahl von 1.600 Umdrehungen pro Minute hoch, die während der Überfahrt konstant bleibt — Steuerung und Schub sowie Geschwindigkeitsanpassungen werden über die Anstellung der Propellerflügel geregelt. Die „Lodi“ erreicht so eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 14 Knoten (26 km/h) und schafft es, innerhalb von sieben Sekunden aus voller Fahrt abzubremsen und in entgegengesetzter Richtung auf maximales Tempo zu beschleunigen.

Überwachung kritischer Systeme


Überwacht und gesteuert wird das Antriebssystem der „Lodi“ durch ein speziell auf die Bedürfnisse der „Lodi“ angepasstes Automationssystem. Das bewusst einfach konzipierte „Smartline“ basiert auf der Technologieplattform MCS-5 (MCS — Monitoring Control System) und ist über eine zentrale Schnittstelle mit den „Ironmen“ im Maschinenraum verbunden. Grundlegende Wartungsarbeiten kann die Crew dank entsprechender Schulung und Erfahrung mit den Motoren selbst vornehmen. Smartline ist in der Lage, knapp 300 mögliche Alarme auszulösen. Die erzeugten Meldungen können wiederum gespeichert und ausgewertet werden, um langfristige Prognosen abzuliefern und Verbesserungen vorzunehmen.

Erprobte Technik und neue Konzepte


Bis zu 26 Mal verkehrt die „Lodi“ auf ihrer 4,8 Kilometer langen Stammstrecke, wenn sie — wie jeden zweiten Tag — eine 24-Stunden- Schicht einlegt. In einem Jahr sammelte der neue Ironmen-Motor so rund 4.300 Betriebsstunden. Den eng getakteten Fahrplan, der 14 Minuten für die Überfahrt und jeweils zehn Minuten zum Be- und Entladen vorsieht, hält die „Lodi“ selbst dann noch ein, wenn sie voll beladen ist oder Windböen der Stärke zehn die Wellen hochpeitschen. Ein Ausfall käme die Stadtwerke Konstanz teuer zu stehen. „Wir müssen uns voll auf die Technik verlassen können — vom Motor bis zur Steuerung“, erläutert Hans-Dieter May, technischer Leiter der Stadtwerke Konstanz.
Mit den mtu-Motoren hat der Betreiber schon sehr gute Erfahrungen gemacht. Seit 1980 fahren alle sechs Fährschiffe mit Dieselantrieb aus Friedrichshafen. Die langjährigen Geschäftsbeziehungen tragen dazu bei, dass bestehende Konzepte kontinuierlich weiterentwickelt werden. „Partner, die uns und unsere Anforde- rungen kennen und sie passgenau umsetzen können, sind uns sehr wichtig“, so May. „Die ‚Lodi‘ wurde in Zusammenarbeit mit der Bodan- Werft entwickelt, die bereits 1928 unser erstes Bodensee-Fährschiff und bis heute zwölf weitere für uns gebaut hat. Und um zu testen, wie wir unsere Flotte weiter optimieren können, erproben wir seit 1979 gemeinsam mit mtu neue Antriebslösungen.“